Die kapitalistische Wirtschaftsordnung ist unproduktiv geworden und nicht mehr innovativ. Nennenswertes Wirtschaftswachstum findet nur noch im Finanzsektor statt, die Realwirtschaft wird nur noch mühsam durch Schulden und Kredite am Leben erhalten. Die Folge ist ein immer weiteres Auseinandertriften der Einkommen und weiteres Wachstum des Reichtums und der Armut. Die daraus resultierende Finanzkrise hat die Staaten erreicht und alle bisher in Betracht gezogenen Gegenmaßnahmen sind ohne Erfolg geblieben. Es ist an der Zeit, die Ursachen tiefgründiger zu analysieren und zu beseitigen.
Das ordo-liberale Konzept der sozialen Marktwirtschaft versprach Wohlstand für alle und beruhte auf vier Grundsäulen: dem Sozialstaat, dem Prinzip der persönlichen Haftung, der gemischt privaten und öffentlichen Wirtschaft und der Verhinderung wirtschaftlicher Machtkonzentration. Während in den ersten Jahren der Bundesrepublik die Entwicklung der Einkommen noch entsprechend der Steigerung der Arbeitsproduktivität erfolgte, ist dies seit mindestens 15 Jahren nicht mehr der Fall, die wirtschaftliche Macht ist durch zahlreiche Privatisierungen in private Hand übergegangen und das Prinzip der persönlichen Haftung wurde aufgeweicht. Die heutige Wirtschaftsordnung ist nicht mehr die soziale Marktwirtschaft, die sie einmal annähernd war.
Vor allem durch die Zulassung nicht bilanzierungspflichtiger Zweckgesellschaften durch die SPD-geführte Regierung wurde die Finanzwirtschaft enorm ausgeweitet. Es wurde den Banken ermöglicht, durch Kreditvergabe im Finanzbereich dreimal so hohe Gewinne zu erreichen als durch Investitionen in der Realwirtschaft, wodurch das gesamte Geschäftsvolumen der Banken von 220% des Bruttoinlandsproduktes im Euroraum bis heute auf 350% anwachsen konnte und die Kreditvergabe an die Realwirtschaft blockiert wurde. Die Ausweitung des Kreditvolumens gefährdete die Rückzahlungen und führte zur Finanzkrise, deren unmittelbares Übergreifen auf die Realwirtschaft nur durch staatliche Unterstützung bisher abgewendet werden konnte.
Durch die Zulassung nicht bilanzpflichtiger Finanzinstitutionen in vielen Staaten und die Erfindung und Zulassung von Finanzprodukten, für die keine Reservehaltung gefordert wird, haben die Zentralbanken keine Übersicht mehr über den Gesamtumfang der ausgereichten Kredite. Dies bedeutet praktisch für die großen Investmentbanken eine Lizenz zum unkontrollierten Gelddrucken. Dies wird von den großen Investmentbanken reichlich ausgenutzt, in dem sie sich gegenseitig Kredite einräumen und mit den resultierenden Zinsen immer größere Gewinne erzielen, so dass heute das Volumen der globalen Finanztransaktionen das 74-fache der realen Weltwirtschaftsleistung erreicht hat. 1990 hatte diese Relation noch bei 15 gelegen. Dieses Missverhältnis hat nur deshalb noch nicht zu einer inflationären Geldentwertung geführt, weil das überschüssige Geld im Besitz vermögender Leute ist, die dafür keine materiellen Güter nachfragen, sondern die bestrebt sind, durch Anlage dieser Gelder auf dem globalen Finanzmarkt ihren Reichtum weiter zu erhöhen. Auch die Verschuldung der Staaten auf dem Finanzmarkt erzeugt keine reale Nachfrage, weil die zusätzlichen Gelder zur Bezahlung der Zinsen und zur Tilgung früherer Kredite wieder auf den Finanzmarkt zurückfließen. Statt dessen wird durch die Umstellung der Rentensysteme vom Umlageverfahren auf das private Vorsorgeprinzip real verdientes Geld der Nachfrage entzogen und ebenfalls dem Finanzmarkt zugeführt. Die zur Rettung der Banken erforderliche zusätzliche Verschuldung der Staaten bewirkt deshalb nichts weiter als die weitere Erhöhung der auf dem Finanzmarkt umlaufenden virtuellen Gelder.
Nicht nur in der Finanzwelt werden durch Geldanlagen und Kredite große Gewinne gemacht, sondern auch die großen Konzerne der Realwirtschaft haben entdeckt, dass man mit Geldanlagen in der Finanzwirtschaft höhere Renditen erzielt, als durch Investitionen in Produktionsanlagen. Deshalb werden auch die in der Realwirtschaft erzielten Gewinne in zunehmendem Maße nicht mehr in die Realwirtschaft re-investiert, sondern verschwinden im Finanzsektor. Die Autorin hat zahlreiche Studien ausgewertet und belegt diesen Prozess mit vielen Beispielen. Im Ergebnis gingen in Deutschland die Bruttoinvestitionen von 25% des BIP im Jahre 1970 auf 18% im Jahre 2008 zurück, die Nettoanlageinvestitionen sogar auf 3%. In die gleiche Richtung wirken Firmenaufkäufe und Aktienrückkäufe, die seit 1998 auch in Deutschland steuerfrei abgewickelt werden dürfen. Die Konzentration der Wirtschaftsmacht ist soweit fortgeschritten, dass heute die 500 größten Weltkonzerne die Hälfte der globalen Wirtschaftsleistung kontrollieren und zwei Drittel des Welthandels abwickeln. Züricher Forscher haben eine grafische Auswertung begrenzt auf gar nur 147 Unternehmen veröffentlicht, welche die wirtschaftlichen Fäden in der Welt ziehen.
Auf der anderen Seite sind 99,8% aller Unternehmen in Europa kleine und mittlere Firmen, die andere Sorgen haben und darum kämpfen müssen, von den Banken die Kredite zu bekommen, die sie zur Aufrechterhaltung ihrer Produktion dringend benötigen. Dieser Zustand der Wirtschaft ist produktivitäts-, innovations- und wohlstandsfeindlich.
Ein Unternehmerkredit soll der mittel- und langfristigen Finanzierung für kleinere Unternehmen dienen, damit sie Vorhaben angehen können, die wirtschaftliche Erfolge erwarten lassen. Solche Firmen brauchen auch Kredite zur Finanzierung von geeigneten Immobilien am heimischen Standort oder in anderen Wirtschaftsregionen. In Firmen, die beispielsweise Gewerbeimmobilien in Köln vermitteln, wird ein Fachwirt für Gewerbeimmobilien dem Unternehmen angemessene Projekte vorweisen können.
Wir leben bei weitem nicht in einer Leistungsgesellschaft. 80% des neu gebildeten Vermögens in der Bundesrepublik entsteht aus Zinsen und Dividenden, in den USA befinden sich 90% dieser Einkommen in den Händen von 20% der Bevölkerung. Vermögensbildung in Arbeitnehmerhand ist eine Illusion. Die Gesellschaft ist in zwei Klassen gespalten, die eine lebt von Löhnen und Gehältern, die andere von Zinsen und Dividenden. Wer von Löhnen und Gehältern lebt, spart, um die Ersparnisse später zu konsumieren. Wer von Zinsen und Dividenden lebt, spart, um sein Vermögen zu vermehren. Aufstiegschancen gibt es höchstens innerhalb dieser Klassen, der Sprung in die Klasse der Vermögenden gelingt nur den Spitzenmanagern der größten Konzerne. Reichtum wird vererbt. In den 70er Jahren gehörten zwei Drittel aller großer Industrieunternehmen, Handelsfirmen und Banken in Deutschland einer Gruppe von etwa 500 untereinander verwandten und verschwägerten Familien, die bereits 1913 zur Oberschicht und Geldaristokratie gehörten und das hat sich auch heute nicht verändert.
(siehe hierzu aber auch Die Superreichen)
In diesem Kapitel stellt die Autorin ausführlich dar, wie sich das kapitalistische Wirtschaftsystem aus seiner inneren Logik heraus von einem höchst leistungsfähigen, produktiven und innovativen System zu einem Hemmnis der weiteren Entwicklung gewandelt hat, in dem Wohlstandswachstum für breite Bevölkerungskreise nicht mehr stattfindet.
Das entscheidende Motiv der kapitalistischen Produktion ist die Erzielung von Profit. Der Kapitalismus entwickelt sich nur so lange dynamisch, so lange es für die erwirtschafteten Profite stets wieder ausreichende Investitionsgelegenheiten mit entsprechenden Renditeaussichten gibt. Unter diesen Umständen lassen sich die dem Profitanteil am Volkseinkommen entsprechenden Güter verkaufen und die Profiterwartungen werden erfüllt.
Bis zum Beginn des 20.Jahrhunderts wurde der hohe Investitionsbedarf durch den technologischen Fortschritt und den Prozess der schöpferischen Zerstörung gewährleistet, also durch die wiederholte krisenhafte Entwertung bereits investierten Kapitals, die immer wieder neuen Wachstumszyklen mit neuer Investitionsdynamik den Weg bereitete.
In der Nachkriegszeit konnte der Kapitalismus dank extrem hoher Investitionserfordernisse noch einmal für zwei Jahrzehnte seine Dynamik zurückgewinnen. Grund waren die Kriegszerstörungen und der Investitionsbedarf in den entstehenden Massengüterindustrien. Dann sank der Investitionsbedarf und konnte auch durch Erhöhung der Profite zu lasten der Löhne und Gehälter sowie des Staates und der Sozialleistungen nicht erzeugt werden. Auch verstärkte Kreditaufnahme des Staates und der Konsumenten führten nicht zu neuem Aufschwung. Ein neues Modell, das für wirtschaftliche Dynamik sorgen könnte, ist im Rahmen der bestehenden Wirtschaftsordnung nicht in Sicht.
Unter kapitalistischen Bedingungen wird es keine Umstellung auf umweltschonende, gesunde und naturverträgliche Produktionsmethoden geben, weil
· Die Konzerne erst dann an einer Umstellung interessiert sind, wenn ihr in den alten Technologien investiertes Kapital vollständig abgeschrieben ist und weil
· Die Umstellung kein neues Wachstum hervorruft, sondern nur einen Ersatz des Alten bedeutet, so dass kein Wachstum der Renditen zu erwarten ist.
Die Umstellung wird keinen selbsttragenden Aufschwung hervorrufen und mit der heutigen Förderung und Subventionierung wird es viel zu langsam gehen und erhebliche Einbusen an Wohlstand erfordern. Auch eine Ökodiktatur hätte unter kapitalistischen Bedingungen die Benachteiligung großer Teile der Bevölkerung zur Folge. Mit dem Durchbruch der neuen Informationstechnologien wurde auch kein erhoffter selbsttragender Investitionszyklus ausgelöst, weil der erforderliche Investitionsbedarf viel geringer war, als beispielsweise in der Autoindustrie.
Wer eine umweltverträgliche Kreislaufwirtschaft will, muss den renditegetriebenen Kapitalismus hinter sich lassen.
Wenn die Wirtschaft Politik macht, wird die Demokratie untergraben. Mit dem von der SPD-Grünen-Regierung initiierten “Personalaustauschprogramm“ zwischen Staat und Wirtschaft ist es üblich geworden, dass Leihbeamte aus der Wirtschaft in den Ministerien die Gesetzesvorlagen ausarbeiten oder die Ausarbeitung bei privaten Rechtsanwaltskanzleien in Auftrag gegeben werden. Liegt ein Gesetzentwurf vor, ist letztlich die Abstimmung im Parlament dank Fraktionszwang und Koalitionsdisziplin fast nur noch Formsache. Man braucht sich deshalb nicht zu wundern, dass die Gesetze so konzernfreundlich sind, wie sie sind. Hinzu kommt, dass in Brüssel über 10 000 Lobbyisten den Beamten und den Abgeordneten erklären wollen, wie die Gesetze auszulegen sind.
Viele Beispiele können angeführt werden, in denen frühere Minister und Staatssekretäre nach der Abwahl ihrer Regierungen in Aufsichtsräte und Konzernleitungen übernommen worden sind, in denen sie das Mehrfache ihrer früheren Bezüge beziehen. Nur ein naiver Tor kann glauben, dass diese Praxis keinen Einfluss auf ihre Regierungstätigkeit hatte. Weiterhin ist bekannt, dass die 50 größten Familienkonzerne in Deutschland 2,4 Millionen Menschen beschäftigten und z. B. im Jahre 2005 knapp 500 Milliarden Umsatz machten.
Es ist heutzutage ganz offensichtlich, dass die Finanzmärkte unter dem Einfluss der größten Finanzinvestoren stehen und die Politik der meisten Regierungen bestimmen.
Unter diesen Umständen ist es zwar verständlich, dass sich eine wachsende Zahl von Menschen aus dem demokratischen Prozess verabschiedet und an keiner Wahl mehr teilnimmt, aber dieses Verhalten kann nicht optimal zu einer Veränderung der Situation beitragen.
In den letzten Jahren sind die Staatsschulden kontinuierlich immer weiter derart angewachsen, dass nicht nur die Rückzahlung dieser Schulden, sondern auch die Bezahlung der Kreditzinsen nur durch die Aufnahme immer neuer Kredite gewährleistet werden kann.
Da offensichtlich diese Entwicklung nicht ewig fortsetzbar ist, wurde 2009 eine Schuldenbremse beschlossen und in der Bundesrepublik ins Grundgesetz aufgenommen. So unabdingbar notwendig eine solche Schuldenbremse ist, bleibt ihre konkrete Ausgestaltung jedoch eine grandiose Fehlkonstruktion. Statt den Staatshaushalt durch gesetzliche Maßnahmen zur Erhöhung der Einnahmen zu stabilisieren, begrenzt die Schuldenbremse nur die Aufnahme neuer zusätzlicher Kredite und wird damit nur als Instrument zur Begrenzung staatlicher Ausgaben benutzt und dazu missbraucht, öffentliche Sparprogramme aufzulegen. Die Senkung der Besteuerung hoher Einkommen, die faktische Abschaffung der Erbschaftssteuer und die Entlastung großer Unternehmen bei der Körperschaftssteuer ermöglichte der vermögenden Oberschicht in Deutschland ihre privaten Geldvermögen von 1998 bis 2010 von 3,1 auf 4,9 Billionen Euro zu erhöhen. Die zusätzlichen fast 2 Billionen Euro befinden sich nahezu ausnahmslos auf den Konten der oberen 10 000 Millionäre, während die Spareinlagen der Mehrheit der Bevölkerung sogar geschrumpft sind. Infolge dieser Steuerpolitik war der Staat gezwungen, von diesen Geldbesitzern fast eine Billion Euro Kredite aufzunehmen und dafür Zinsen zu zahlen. Während in Deutschland damit immerhin in der Vergangenheit noch Konjunkturprogramme finanziert wurden, gingen andere Staaten, insbes. die USA den Weg der Verschuldung privater Haushalte durch Aufnahme von Immobilienhypotheken und Konsumkrediten zur Ankurbelung der Wirtschaft. Inzwischen sind auch dort aus den faulen, nicht zurückzahlbaren privaten Krediten öffentliche, nicht rückzahlbare Schulden geworden und es steht weltweit die Frage, wie man aus der Misere wieder herauskommt. Offensichtlich müssen irgendwann die faulen Kredite abgeschrieben werden, und das muss so geschehen, dass in der Gegenbuchung die aus der Schuldenblase entstandenen Vermögen verschwinden und nicht die Spargroschen der Mittelschicht. Welche alternativen Varianten gibt es:
· Weiter so bis zum Crash: Die Staaten versuchen durch irrwitzige Sparprogramme die Verschuldung aufzuhalten und würgen damit ihre Wirtschaft immer weiter ab. Sie müssen ihre immer mehr verschuldete Banken mit Staatsgeldern retten und verschulden sich damit selbst aber immer mehr. Zunächst werden durch den Euro-Rettungsschirm die Schulden von den schwächeren auf die stärkeren Länder abgewälzt, bis auch das nicht mehr funktioniert und das Finanzsystem zusammenbricht. Dabei verlieren zwar die Reichen ihre Vermögen, aber am schlimmsten werden die Mittelschichten betroffen, wie es bei Währungsreformen bisher immer der Fall war.
· Aus den Schulden herauswachsen? Durch radikale Umverteilung der Einkommen, verbunden mit Mindestlöhnen und höheren Renten könnte die volkswirtschaftliche Nachfrage stabilisiert werden und eine Neuverschuldung des Staates verhindert werden. Der Abbau der Altschulden aber scheint unmöglich, denn noch niemals sind toxische Kredite wieder bedient worden.
· Wegsehen: Unbekümmert den Schuldenberg weiter anwachsen lassen und mit neuen Krediten finanzieren. Die Labilität des Finanzsystems nimmt dann weiter zu und ist immer schwerer zu beherrschen. Die sozialen Gegensätze wachsen weiter an und beim politischen Versuch einer radikalen Umverteilung der Einkommen und einer Neugestaltung der Eigentumsordnung werden die Probleme eskalieren.
· Altschulden durch höhere Steuern reduzieren? Eine Belastung von Privatvermögen, die eine Million Euro übersteigen, mit einer Vermögenssteuer von 5% würde im Jahr 80 bis 100 Milliarden zusätzlicher Einnahmen bringen. Selbst wenn diese Einnahmen für nichts anderes verwandt würden als zum Abtragen der Staatsverschuldung, würde das bei Nullzinsen mehr als 20 Jahre dauern. Die massiven Ausweichreaktionen würden vermutlich zu einer Stagnation der Wirtschaft und des Lebensstandards während dieser Zeit führen. Eine denkbare Variante wäre dann eher eine einmalige Vermögensabgabe zur Abschöpfung der Vermögen der oberen Zehntausend bei gleichzeitiger Tilgung eines Großteils der Staatsschulden. Das könnte funktionieren, ist aber ein ähnlich gravierender Eingriff wie die Streichung aller Schulden. Die Vermögensabgabe würde nur die Reichen im Inland treffen, während eine Schuldenstreichung zu erheblichen Teilen auch ausländische Anleger träfe.
· Entwertung der Schulden durch Inflation ist historisch schon mehrfach erprobt und belastet vor allem die Mittelschichten, die ihre Sparguthaben verlieren, während die wirklich Reichen ihr Vermögen zwischen Geldvermögen, Betriebsvermögen, Immobilienvermögen, Gold und Kunst aufgeteilt haben und selbst den völligen Wertverlust des Geldes bestens verkraften können.
· Abkopplung der Staatsschulden von den Kapitalmärkten. Hierzu würden die Staaten niedrigverzinste bzw. zins- und tilgungsfreie Direktkredite von der Europäischen Zentralbank erhalten und das Zentralbankgeld käme statt über Bankkredite über öffentliche Ausgaben in Umlauf. Möglich und kurzfristig regelbar wäre eine solche Umstellung durch eine Änderung der europäischen Verträge und des EZB- Status. Durch eine entsprechend regulierte Geldpolitik der EZB ließe sich eine unkontrollierte Inflation eben so gut wie bisher vermeiden und die öffentlichen Finanzen wären nicht mehr ein renditeträchtiges Geschäfts- und Spekulationsobjekt privater Banken. Das Problem einer solchen Lösung wäre, dass die gegenwärtige Vermögensblase nicht abgebaut werden kann und private Finanzspekulationen weiterhin möglich sind.
· Streichung der Altschulden ist ein Weg zur Beseitigung der Vermögensblase, der von vielen Staaten und schon öfters gegangen wurde. Durch Streichung der Altschulden der Staaten wären fast alle Großbanken, Versicherungen, Hedgefonds und andere Spekulationsvehikel zahlungsunfähig. Um unkontrollierte Kettenreaktionen und eine Entwertung von echten Spargeldern und Pensionsfonds zu verhindern, müssten allerdings Großbanken und Versicherungen verstaatlicht, rekapitalisiert und restrukturiert werden, um zu einem Finanzsektor zu kommen, der die notwendigen öffentlichen Aufgaben wahrnimmt. Diese Rekapitalisierung wäre relativ einfach möglich, wenn durch eine einmalige Abgabe die illegitimen Vermögen der oberen Zehntausend herangezogen werden, die ihr Wachstum der Fehlentwicklung der letzten Jahre verdanken.
Der einzige gangbare Ausweg aus der Schuldenkrise besteht aus einem Bündel von Ma8nahmen, die zusammengehören und von denen keine fehlen darf:
1. Streichung der Altschulden der EU-Staaten mit Ausnahme der Schuldtitel, die von Kleinanlegern gehalten werden
2. Verstaatlichung der großen Finanzkonzerne mit allen faulen Krediten und allen werthaltigen Forderungen
3. Rekapitalisierung der Finanzinstitute mit öffentlichem Geld, das sich der Staat durch eine einmalige Vermögensabgabe auf sehr hohe Vermögen von den Millionären holen sollte.
4. Umverteilung der Einkommen durch Mindestlöhne und eine solide Steuerpolitik, damit auch in Zukunft nicht immer wieder fehlende private Nachfrage durch kreditfinanzierte Staatsausgaben ausgeglichen werden müssen
5. Schaffung einer Möglichkeit der Direktfinanzierung über die EZB, damit durch staatliche Programme konjunkturelles Gegensteuern ohne Staatsverschuldung bei privaten Banken möglich wird.
Im Jahre 2000 wurde von der rot-grünen Regierung damit begonnen, die umlagebasierte gesetzliche Rente auf private Vorsorge über den Kapitalmarkt umzustellen. Die damit verbundenen Reformmaßnahmen hatten den Zweck, den von den Unternehmen aufzubringenden Beitragsanteil nicht weiter anwachsen zu lassen, und die Wirkung, dass das gesetzliche Rentenniveau eines „Standardrentners“ von einst 70% bis zum Jahre 2030 auf 43% des Nettolohnes absinken wird. Infolgedessen würden mindestens 35% der heute Beschäftigten, im Osten Deutschlands sogar 50%, nur eine gesetzliche Rente unterhalb der Grundsicherung erhalten. Zwar garantiert der Staat seit den rot-grünen Rentenreformen eine Minirente in Höhe der Grundsicherung, aber ein Anspruch darauf besteht nur, wenn keine anderen Einkünfte und Vermögen vorhanden sind.
Als Begründung für die Umstellung des Rentensystems muss der Demographie-Mythos herhalten, demzufolge wegen des Anstiegs der Lebenserwartung und des Absinkens der durchschnittlichen Kinderzahl pro Frau jeder Erwerbstätige beim Umlagesystem immer mehr Rentner versorgen müsste. Dabei wird jedoch nicht berücksichtigt, dass auch weniger Kinder versorgt werden müssen und dass der Anstieg der Versorgungsleistungen bereits bei einer jährlichen Steigerung der Arbeitsproduktivität von 1% gewährleistet werden könnte. Der Anstieg der Arbeitsproduktivität beträgt seit 1960 in der Bundesrepublik durchschnittlich 2,5% pro Jahr. Wenn die demographische Rentenlüge wahr wäre, träfe sie jedoch mit gleicher Wucht die kapitalgedeckte Rente, denn der Lebensstandard der Rentner muss immer aus dem laufenden Bruttosozialprodukt erwirtschaftet werden, das angesparte Kapital kann man nicht essen oder anderweitig real verbrauchen.
Der eigentliche Grund der Rentenumstellung kann also nicht die Demographie sein, sondern es sind Profitinteressen. Die Privatisierung der Alterssicherung hat drei große Profiteure:
· Die Besserverdienenden können auf eigene Rechnung sparen, wollen ihre überschüssigen Einkommen gewinnbringend anlegen, brauchen die Umlagerente nicht und sind daran interessiert, die Beitragssätze möglichst niedrig zu halten.
· Die Unternehmen sparen bei privater Vorsorge den gesetzlich festgelegten Arbeitgeberanteil und können damit den Betriebsgewinn steigern
· Die Finanzinstitute erhalten einen ständigen Zustrom von Kapital, das Ihnen die luk-rativen Finanzgeschäfte ermöglicht, die im Abschnitt 4 beschrieben sind.
Von der privaten, staatlich geförderten Riesterrente profitieren in erster Linie nicht die Rentner, sondern die Finanzinstitute, die sie anbieten. Bisher haben 37% der Berechtigten eine Police erworben, für welche die öffentliche Hand bisher 6,5 Milliarden Euro zur Verfügung stellte. Für die konkrete Ausgestaltung der Riesterverträge gibt es nur wenig gesetzliche Vorschriften, so dass fast alles den Anbietern überlassen bleibt. Anstelle einer Mindestverzinsung gibt es nur die Vorschrift, dass der Anbieter bei Beginn der Rentenzahlung noch mindestens über das eingezahlte Kapital verfügen muss. Im Gegensatz zu Banken bieten Versicherer jedoch derzeit einen Mindestzins von 2,25% an, allerdings nur für den Anteil, der nach Abzug der Verwaltungskosten und Provisionen der Versicherung noch übrig bleibt. Diese Kosten darf der Anbieter innerhalb der ersten 5 Jahre der Laufzeit abziehen, so dass bei einer Kündigung des Vertrages der Anteil verloren ist, Inflationsverluste hat der Rentner auch zu tragen. Da die Bundesregierung keine Einflussmöglichkeiten auf die Kostenstrukturen der Anbieter von Altersvorsorgeprodukten hat, gibt es auch keine zuverlässigen Angaben über die Höhe dieser Kosten. Schätzungen besagen, dass sich diese Kosten auf 75% bis 90% der staatlichen Zulagen belaufen. Da die Vertragskosten bei Riesterrenten in der Regel höher sind als bei ungeförderten Privatrenten, gibt es nur wenige wirklich wohlhabende Arbeitnehmer unter den Riestersparern. Nur 8% der Riestersparer hatten 2006 ein Jahreseinkommen von über 50 000 Euro, etwa 70% von unter 30 000 und nur 40% schaffen es, 4% ihres Einkommens zu sparen und die Zulage in voller Höhe in Anspruch zu nehmen. Wer arbeitslos wird oder durch Kurzarbeit, Outsourcing, Leiharbeit usw. einen erheblichen Teil seines Einkommens verliert, kann den einmal begonnenen Riestervertrag in der Regel nicht weiterführen und trägt die damit verbundenen Verluste. Verschiedene Studien haben berechnet, dass der Riesterrentner mehr als seine eingezahlten Beträge nur dann wieder herausbekommt, wenn er mindestens 85 Jahre alt wird.
Während die umlagebasierte Rente immer dann steigt, wenn auch die Löhne entsprechend wachsender Arbeitsproduktivität steigen, sieht es bei der kapitalgedeckten Rente genau anders aus. Die kapitalgedeckte Rente wird genau dann und nur dann günstiger als die umlagebasierte, wenn die Zinsen schneller steigen als die Löhne, wenn sich also die derzeitige Tendenz fortsetzt. Die negativen wirtschaftlichen Folgeerscheinungen dieser Tendenz können aber diesen Effekt ebenso gut umkehren. Die private Rentenvorsorge erzeugt einen Sparzwang, der wiederum ein Wachstumshemmnis für die reale Wirtschaft darstellt und das kann den möglichen Vorteil zunichte machen. Die gegenwärtige Finanzkrise hat auch Pensionsfonds entwertet und auch die Rentenversicherungen stehen auf tönernen Füßen.
Eine solide armutsfeste und den Lebensstandard sichernde Rente ist nicht in Abhängigkeit von den Launen der Finanzmärkte, sondern nur in einem wiederhergestellten Umlagesystem mit ausreichenden Beitragssätzen zu gewährleisten. Notwendig ist dann allerdings auch, dass der Durchschnittslohn wieder mit der Arbeitsproduktivität steigt, Arbeitslosigkeit aktiv bekämpft und Billigjobs die gesetzliche Grundlage entzogen wird.
Die Finanzkrise hat offenbar werden lassen, dass das derzeitige System der Privatbanken nicht in der Lage ist, das Finanzsystem zu stabilisieren. Ohne staatliche Unterstützungsmaßnahmen wäre die Mehrzahl aller Banken in Konkurs gegangen. Diese Erkenntnis wird zwar von keiner Seite mehr angezweifelt, dennoch verhindern private Profitinteressen eine langfristig nachhaltige Lösung des Problems und es wird in Deutschland ein erbitterter Machtkampf zwischen den drei Säulen des Banksystems geführt. Die größten Spekulationsgewinne wurden im Sektor der privaten Großbanken gemacht, der deshalb von der Krise am schwersten betroffen wurde. Gerade diese Banken aber sind so groß geworden, dass ihr Zusammenbruch das gesamte Finanzsystem zum Einsturz bringen kann. Deshalb muss der Staat diese Banken stützen, allerdings erfolgt diese Unterstützung bisher im Interesse der privaten Aktionäre so, dass lediglich die unvermeidlichen Verluste vom Staat übernommen werden, die Gewinne jedoch in privater Hand bleiben.
Die vielen kleinen Sparkassen und Genossenschaftsbanken haben bisher im wesentlichen ihre eigentlichen Aufgaben zur Kreditvergabe in der realen Wirtschaft wahrgenommen und sich nicht an den risikoreichen Spekulationsgeschäften beteiligt und auf die dabei möglichen hohen Gewinne verzichtet. Ihr öffentlich-rechtlicher Status schützt sie weitgehend vor privaten Übernahmen, weshalb sie den Großbanken ein Dorn im Auge sind.
Eine Zwischenstellung nehmen die öffentlich-rechtlichen Landesbanken ein. Durch ihre Staatshaftung bilden sie eine ernsthafte Konkurrenz für die privaten Großbanken, haben sich aber im Auftrag des Staates an den Spekulationsgeschäften beteiligt und sind deshalb gleichfalls von der Krise betroffen. Die privaten Großbanken wollen sie deshalb wegen Wettbewerbsverzerrung weghaben, obwohl sie das Potential für die Gesundung des gesamten Finanzsystems bilden könnten, wenn Spekulationsgeschäfte generell verboten und die Landesbanken die Kreditversorgung der großen Unternehmen übernehmen würden.
Mit dem Zusammenbruch des sozialistischen Wirtschaftssystems wurden auch in den westlichen Industrieländern bis dahin in öffentlicher Hand befindliche und der Versorgung der Bevölkerung dienende Unternehmen privatisiert. Man glaubte damit mehr wettbewerbsintensive Märkte zu schaffen und die Effizienz dieser Einrichtungen zu erhöhen. Dies hat sich jedoch mittlerweile als Irrtum herausgestellt. Versorgungseinrichtungen wie Post, Bahn, Luftverkehr, Wasser- und Energieversorgung, kommunale Dienste, Krankenhäuser, Schulen und Universitäten haben einen technisch oder regional bedingten Monopolcharakter und deshalb bildeten sich viele neue Unternehmen, aber kein Wettbewerb und keine Konkurrenz zwischen ihnen. Man hatte staatliche und kommunale Monopole lediglich durch private ersetzt, welche die Preise hochtrieben und Qualitätsentwicklungen und langfristige Investitionen vernachlässigten. Deshalb steht heute die Rekommunalisierung dieser Unternehmen auf der Tagesordnung. Mit einer Verstaatlichung allein ist es aber nicht getan, solange ihr Geschäftsmodell gewinnorientiert bleibt. Diese Versorgungsbetriebe müssen mit einem gesetzlichen Gemeinwohlauftrag versehen und in der jeweiligen Wirkungsregion einer demokratischen Kontrolle unterworfen werden. Gleichwohl müssen sie natürlich wirtschaftlich arbeiten, aber die Gewinnerzielung darf nicht im Vordergrund stehen, sondern muss dem Versorgungsauftrag dienen.
Insbesondere nach dem Zusammenbruch des sozialistischen Lagers wird staatlichen Industrieunternehmen von vorn herein Ineffizienz und Ressourcenverschwendung nachgesagt. Dabei war es bei genauerem Hinsehen nicht die Eigentumsform an sich, die Ineffizienz erzeugte, sondern der Versuch, Marktbeziehungen zwischen den Unternehmen durch eine detaillierte Planung der gesamten Volkswirtschaft zu ersetzen und auch relativ kleine Betriebe zu verstaatlichen. Außerdem wurden wirtschaftliche Anreize falsch gesetzt. Eine Analyse der Situation in Westeuropa zeigt, dass nach dem 2.Weltkrieg in Frankreich, in England, in Italien, in Österreich und auch in Der Bundesrepublik Deutschland, also in allen großen Industrieländern, mit staatlichen Großbetrieben der Grundstoffindustrie, des Verkehrswesens und der Versorgungswirtschaft gute Erfahrungen gemacht wurden. In der EU lag der Staatsanteil an der Wirtschaft Mitte der 90er Jahre im Schnitt bei 17% und erst der Privatisierungswahn der letzten 15 Jahre hat ihn auf unter 10% gedrückt. Wirtschaftliche Ineffizienz zeigte sich nur scheinbar, weil diese Schlüsselindustrien gerade nicht auf die Erzielung von Maximalprofit ausgerichtet waren, sondern auf die preiswerte Versorgung der Volkswirtschaft mit Gütern der Grundversorgung. Erst die Privatisierung und staatliche Subventionierung dieser Versorgungsindustrien hat die Probleme hervorgebracht, mit denen diese heute zu kämpfen haben. In China ist nach wie vor der größte Teil der Unternehmen in staatlicher Hand, dennoch werden hervorragende Wachstumserfolge erzielt.
Die pauschale Legende vom Staat als schlechtem Unternehmer oder vom Staatsunternehmen als politisch dirigierter Quasibehörde wird durch die historischen Erfahrungen nicht bestätigt. Diese zeigen vielmehr, dass es entscheidend auf die konkrete Ausgestaltung des öffentlichen Eigentums und der jeweiligen Anreizsysteme ankommt.
Bertram
Köhler
3.7.2012