Gemeinwohl-Ökonomie

Das Wirtschaftsmodell der Zukunft

Kommentar zu dem Buch von Christian Felber

 

Der Autor beschreibt in seinem Buch seine Vorstellungen zur Gestaltung der zukünftigen Wirtschaft und ruft zur Unterstützung eines Vereins auf, der zur Präzisierung und politischen Durchsetzung dieser Vorstellungen gegründet wurde.

1.    Kurzanalyse

Die freie Marktwirtschaft beruht auf den Grundwerten Gewinnstreben und Konkurrenz. Die Kombination aus Gewinnstreben und Konkurrenz befördert jedoch Gier, Geiz, Neid, Rücksichtslosigkeit und Verantwortungslosigkeit. Die Folgen von Gewinnstreben und Konkurrenz sind die zehn Krisen des Kapitalismus:

·       Konzentration und Missbrauch von Macht

·       Ausschaltung des Wettbewerbs und Kartellbildung

·       Standortkonkurrenz

·       Ineffiziente Preisbildung

·       Soziale Polarisierung und Angst

·       Nichtbefriedigung von Grundbedürfnissen und Hunger

·       Umweltzerstörung

·       Sinnverlust

·       Werteverfall

·       Ausschaltung der Demokratie

Die Gemeinwohlökonomie soll dagegen menschliche Werte wie

·       Vertrauensbildung

·       Ehrlichkeit

·       Zuhören

·       Empathie

·       Wertschätzung,

·       Kooperation

·       Gegenseitige Hilfe

·       Teilen

fördern. Deshalb ist die Zielstellung Maximalprofit durch die Zielstellung maximale Gemeinwohlbilanz zu ersetzen.

 

2.    Die Gemeinwohl-Ökonomie – der Kern

Die bislang maßgebende unternehmerische Finanzbilanz ist an zweite Stelle zu rücken und durch die Gemeinwohlbilanz als Hauptbilanz konsequent zu ersetzen. In die Gemeinwohlbilanz eines Unternehmens gehen alle gemeinwohlfördernden Aktivitäten des Unternehmens ein. Die verschiedenen Aktivitäten sollen mit einem demokratisch  zu erarbeitenden und gesetzlich zu fixierenden Punktekatalog bewertet und belohnt werden. Ein erster Vorschlag eines solchen Punkte-Kataloges enthält etwa 50 zu bewertende Aktivitäten und wird z. Zt. von 70 Unternehmen getragen. Um den Finanzgewinn zu einem untergeordneten Hilfsmittel zur Erreichung einer guten Gemeinwohlbilanz zu machen, soll das private Einkommen unabhängig von seiner Quelle auf das 20-fache eines gesetzlichen Mindestlohnes begrenzt und darüber hinaus weggesteuert werden und die freie Verwendung von Finanzüberschüssen der Unternehmen für nicht dem Gemeinwohl bestimmte Zwecke nach oben hin begrenzt werden. Nicht erlaubt wird die Verwendung von Überschüssen für

In Abhängigkeit von der Gemeinwohlbilanz erhält das Unternehmen

Jedes Unternehmen darf alle seine Produkte entsprechend der erreichten Gemeinwohlbilanz in vier Güteklassen kennzeichnen.

 

3.    Die demokratische Bank

Das Banksystem ist zu reformieren. Eine demokratische Bank ist kurzfristig als Genossenschaftsbank zu gründen und langfristig als öffentlich-rechtliche Bank zu betreiben. Sie arbeitet ausschließlich als Geschäftsbank. Bei der Kreditvergabe ist die Gemeinwohlbilanz der Unternehmen zu berücksichtigen. Finanzgeschäfte und Investmentbanking sind nicht erlaubt. Die Demokratische Bank darf kein Geld schöpfen und wird ausschließlich durch eine Zentralbank refinanziert. Die Zentralbank arbeitet nach den Vorstellungen von Keynes im internationalen Währungsverbund. Der Handel mit Finanzprodukten ist verboten und die Börse wird geschlossen. Neben der demokratischen Bank werden nur Genossenschaftsbanken zugelassen, die nach den gleichen Grundsätzen arbeiten.

 

4.    Eigentum

Die Gemeinwohlökonomie kann nur verwirklicht werden, wenn das Eigentumsrecht grundlegend verändert wird und das derzeit zu beobachtende Auseinandertriften der kleinsten und größten Einkommen und Besitztümer durch gesetzgeberische Maßnahmen begrenzt wird. Dies ist zu erreichen, indem statt eines Rechts zum Schutz unbegrenzten Eigentums das Recht auf Eigentum begrenzt wird durch

Zu verwirklichen ist das durch entsprechende Steuergesetzgebung. Zu verwalten sind die dadurch der Allgemeinheit zufallenden Vermögensanteile wie auch alle der öffentlichen Daseinsvorsorge dienenden Unternehmen durch demokratische regionale Wirtschaftsparlamente, die von den jeweils nutzenden Bürgern gewählt werden. Auch könnte man das überschüssige Erbgut gleichmäßig auf alle Nachkommen der nächsten Generation verteilen und diesen damit ein Startkapital zur Verfügung stellen, mit dem ein chancengleicher Einstieg in das Wirtschaftleben ermöglicht werden könnte.

 

5.    Motivation und Sinn

Auch in einer Gemeinwohlökonomie darf die persönliche Motivation der Individuen nicht verloren gehen. Das ist dann gewährleistet, wenn

 

Eine der großen Stärken der Gemeinwohl-Ökonomie wäre, dass Geldverdienen nicht mehr das einzige Ziel ist, dessen Nebeneffekte Bedürfnisbefriedigung, Wohlstand und sinnvolles Tätigsein sein können, aber nicht müssen. Das größte Problem für die Einführung der Gemeinwohlökonomie aber ist, dass viele Menschen ohne dieses Ziel der Anhäufung von materiellem Reichtum innerlich leer sind und ihrem Leben keinen eigenen Sinn geben können. Denen muss die Gemeinwohlökonomie auch Gestaltungsmöglichkeiten entsprechend ihren alten Werten bieten. Dies kann nur verändert werden, wenn in den Mittelpunkt unseres Erziehungs- und Bildungssystems Gefühlskunde, Wertekunde, Kommunikationskunde, Demokratiekunde und Naturerfahrungskunde gerückt würden, d.h. eine Zielstellung zur Veränderung des Menschen, ein neues Menschenbild. Davon sind wir weit entfernt, es gibt aber erste Ansätze.

 

6.    Weiterentwicklung der Demokratie

In den heutigen repräsentativen Demokratien werden von formal demokratisch legitimierten Parlamenten und Regierungen viele Entscheidungen getroffen, die von der Mehrheit der Bürger nicht für richtig gehalten werden. Das ist so weil

 

Damit des Volkes Wille realisiert werden kann, reicht es nicht aus, wenn die Bürger nur alle 5 Jahre eine Partei wählen dürfen und diese dann über Parlament, Regierung und Justiz verfügen. Mindestens diese Dreiteilung der Gewalt muss aber erhalten, weiter ausgebaut und durch direkte Demokratie ergänzt werden. Weltweit ist direkte Demokratie im Vormarsch, kann aber die repräsentative Demokratie nicht ersetzen, sondern nur z.B. durch Gesetzesinitiativen ergänzen. Das Volk ist nicht zu ungebildet dazu, sondern hat umfassendere Erfahrungen als die Abgeordneten. Natürlich dürfen die Regeln der direkten Demokratie nicht zulassen, dass die Demokratie selbst durch Volksentscheid abgeschafft und ein Diktator eingesetzt werden kann. Die Trennung der Gewalten darf nicht eingeschränkt, sondern muss erweitert werden. So könnte man sich vorstellen, dass Parlamente, Regierungen und Justiz durch demokratisch gewählte Konvente für Spezialgebiete ergänzt werden, die jeweils für spezielle Bereiche Entscheidungsbefugnisse haben, so z.B. für die Wirtschaft, das Bildungssystem, die öffentliche Daseinsvorsorge und die Medienpolitik. Das Gebäude der Demokratie bestünde dann aus drei Säulen:

 

7.    Beispiele und Vorbilder

In diesem Abschnitt des Buches werden 14 bereits in verschiedenen Ländern praktizierte Beispiele von Gemeinwohlökonomie detailliert mit allen Vor- und Nachteilen beschrieben, was sich aber nicht verkürzt darstellen lässt.

 

8.    Umsetzung und Strategie für die Zukunft

Realisierung der Gemeinwohl-Ökonomie bedeutet tiefgreifende gesellschaftliche Veränderung, die nur durch einen evolutionären Prozess umsetzbar ist. Als erster Schritt ist es erforderlich, die wachsenden Unzulänglichkeiten der gegenwärtigen gesellschaftlichen Entwicklungsrichtungen zu erkennen und die dem Konzept der Gemeinwohl-Ökonomie innewohnenden Möglichkeiten grundsätzlicher Veränderungen breit zu diskutieren und sich mit ihnen vertraut zu machen. Häufig wird zwar die Grundidee befürwortet, aber die Realisierbarkeit angezweifelt. Deshalb enthält der letzte Abschnitt des Buches eine Argumentation, mit der diese Zweifel zerstreut werden sollen. Der Erfolg einer Gemeinwohl-Ökonomie wird sich um so eher einstellen, je mehr Unterstützer diese Idee findet und wenn jeder Unterstützer auch irgendetwas dafür tut, sie zu verwirklichen. Als ersten Schritt hat  der Autor einen Verein von Unterstützern gebildet, der auf seiner Website um weitere Unterstützung wirbt und damit zunehmend Erfolg hat. Dem Verein gehören bislang auch über 500 Unternehmen an, die gewillt sind, die Gemeinwohlbilanz auch ohne rechtliche Verbindlichkeit einzuführen, zu erproben und weiterzuentwickeln. Politiker und gesellschaftliche Bewegungen sind für das Projekt zu interessieren, um politische Entscheidungen der Parlamente herbeizuführen und gegebenenfalls auf dem Wege der Einführung direkter Demokratie eine Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft zu erreichen.

 

9.    Antworten auf häufig gestellte Fragen

 

16.03.2012

Bertram Köhler