Die Evolution der Menschheit

Betrachtungen über das Buch „Zehn Milliarden“ von Stephen Emmott

 

Als wissenschaftlicher Leiter eines Microsoft-Forschungslabors in Cambridge kennt  der Autor alle weltweit führenden Forschungsprojekte auf dem Gebiet der rechnergestützten Naturwissenschaften und kommt zu alarmierenden Erkenntnissen über die der Menschheit noch offenstehenden Möglichkeiten ihrer weiteren Evolution.

 

Vor 10000 Jahren begann eine rasant beschleunigte Vermehrung der Anzahl der Menschen auf der Erde von ca 1 Million Individuen auf das 7000-fache und gegen Ende des Jahrhunderts werden zehn Milliarden und damit nach heutigen Erkenntnissen die maximale Tragfähigkeit der Erde erreicht sein. Ermöglicht wurde diese Entwicklung durch revolutionäre Erfindungen, deren wichtigste

waren.

1960 begann die enorme Steigerung der Produktion technischer Gebrauchsgüter, die dramatische Ausweitung des Personen- und Güterverkehrs und eine Steigerung des Energie- und Ressourcenverbrauchs, die an die Grenzen des auf der Erde Verkraftbaren führten. Solche Grenzen zeigen sich nicht nur bei einzelnen Ressourcen, sondern an einer Vielzahl von Erscheinungen, so dass keine Ausweichmöglichkeiten in Sicht sind und eine Begrenzung der Evolution der Menschheit als Ganzes in Betracht gezogen werden muss.

Globale Begrenzungen drohen auf folgenden Gebieten:

Die größte Bedrohung für die weitere Evolution der Menschheit aber ist der bevorstehende und bereits eingeleitete Klimawandel. Während alle anderen Probleme ihrem Charakter nach eine Begrenzung darstellen, die zu einem Stillstand des Bevölkerungswachstum führen werden, hat der Klimawandel eine andere, gefährlichere Dimension. Aufgrund der Komplexität der Klimasysteme ist es leicht möglich, dass bei zunehmender Erwärmung ein Kipppunkt erreicht wird, an dem die weitere Erwärmung auch bei Wegfall ihrer primären Ursachen nicht zum Stehen kommt, sondern sich beschleunigt fortsetzen kann. Dann aber ist abzusehen, dass weite Gebiete der Erde nicht mehr bewohnbar sein werden, Kriege um die letzten Ressourcen geführt werden und die Bevölkerung der Erde auf einen Bruchteil reduziert werden wird.

Emmott ist der Auffassung, dass ein solcher Kipppunkt nicht nur existiert, sondern dass wir uns bereits jetzt diesem Punkt unweigerlich nähern, wenn wir unser Verhalten nicht sofort radikal ändern. Er untersucht deshalb welche Möglichkeiten es gäbe, einer solchen Katastrophe durch neue Technologien noch auszuweichen und kommt zu folgenden Schlussfolgerungen:

 

Im Ergebnis kommt Emmott zu der Schlussfolgerung, dass neue Technologien die Probleme nicht lösen können und radikale Sparmaßnahmen nötig wären. Sparmaßnahmen aber sind unpopulär und werden deshalb von den Politikern nicht umgesetzt oder umgangen. Auch wäre es dringend nötig, das Bevölkerungswachstum zum Stillstand zu bringen, wofür es zur Zeit weltweit keinerlei Ansätze gibt. Wenn sich an der weltweiten Geburtenrate nichts ändert, wären wir am Ende des Jahrhunderts nicht zehn Milliarden, sonder 28 Milliarden Menschen.

 

Fazit: Emmott hält die derzeitige Situation, in der sich die Menschheit befindet, für einen absoluten Notfall, in dem sämtliche verfügbaren Kräfte und Ressourcen nur noch für das eine Ziel eingesetzt werden dürften, einen Ausweg aus der verfahrenen Lage zu finden, um die Menschheit zu retten. Alle anderen Aktivitäten wären sinnlos und sollten eingestellt werden. Ob das Buch aber wirklich einen Beitrag zur Lösung dieser Menschheitsfragen liefern kann möchte ich sehr bezweifeln. Es bietet keine akzeptable Lösung an und ignoriert völlig die Tatsache, dass es auch eine ständig wachsende und Kraft gewinnende Bewegung zum Schutze der Umwelt gibt, die zwar noch keine glaubwürdige Alternative zur Hand hat, aber letztlich den Fortbestand der Menschheit sichern könnte, auch wenn das noch nicht entschieden ist. Ich finde, das Buch gibt dieser Bewegung zu wenig Anregungen und lähmt sie eher. Es geht kaum über die bereits von Meadows dargestellten Erkenntnisse hinaus, auch wenn aktuellere Zahlenwerte genannt werden.

An dieser Stelle steht natürlich auch die Frage im Raum, ob der Mensch das höchste und letzte Produkt der Evolution bleiben oder ob er im Wettbewerb mit der von ihm selbst geschaffenen Technik dieser letzten Endes unterliegen wird. Solange die Menschheit lebt und sich entwickelt, leistet sie auch einen Beitrag zur Evolution der Technik, die sich verselbständigen könnte.  Die Evolution geht weiter, auch wenn der Mensch nicht mehr vorn sein sollte.

 

18.03.2014

Bertram Köhler