Komplexitätsökonomik

Nach dem Buch von E.D.Beinhocker: Die Entstehung des Wohlstandes

 

Vorwort

Der Autor legt dar, dass die derzeitige Wirtschaftswissenschaft von neoklassischen Theorien dominiert wird, die weniger die ökonomische Wirklichkeit als vielmehr die Wunschvorstellungen der Ökonomen abbilden. Die in den letzten Jahren entstandene Forschungsrichtung der Komplexitätsökonomik wird diese unzureichenden Theorien ablösen müssen. Diese Auffassung ist umso bemerkenswerter, als der Autor zum wissenschaftlichen Führungsteam der weltweiten Management-Beratungsfirma McKinsey gehört.

 

1.     Die Frage: Wie entsteht Wohlstand

Die menschliche Wirtschaftsgeschichte begann vor 2,5 Millionen Jahren mit der Herstellung und dem Austausch der ersten groben Steinwerkzeuge, vor 35000 Jahren wurde zum ersten Mal  Handel übergrößere Entfernungen getrieben. Heute wird die Anzahl der lieferbaren Warentypen auf einige Milliarden geschätzt. Diese rasante Entwicklung der Wirtschaft ist vergleichbar mit der Evolution der biologischen Arten und erfolgte durch Selbstorganisation nach den gleichen allgemeinsten Algorithmen der Evolution.

Wirtschaftsevolution ist das Ergebnis dreier miteinander verknüpfter Entwicklungsstränge, den physikalischen Technologien wie z.B. Bronzeherstellung, Dampfmaschinen  und Mikrochips, den sozialen Technologien wie Agrarwirtschaft, Rechtsstaatlichkeit, Geld und Aktiengesellschaften sowie deren Kopplung durch eine Produktions- und Unternehmenskultur und damit ein außerordentlich komplexer Prozess.

Ausgelöst durch Darwins Theorie der Entstehung der Arten interessierten sich Physiker, Chemiker und Biologen zunehmend für Systeme, die in ihrer Dynamik und Komplexität weit von einem Gleichgewichtszustand entfernt waren, während die Ökonomen ihre klassischen Vorstellungen von Wirtschaft als einem Gleichgewichtssystem weiterverfolgten. Erst in den frühen neunziger Jahren des 20. Jahrhunderts begannen Forscher mit ökonomischen Modellen und Phänomenen zu operieren, die sich von den traditionellen Gleichgewichtsmodellen radikal unterschieden.

Das bedeutet, dass die Ökonomen die Wirtschaft ein Jahrhundert lang völlig falsch eingeordnet haben und dass die herrschende Wirtschaftstheorie entweder falsch oder bestenfalls nur annähernd richtig ist. Daraus folgt, dass Wohlstand notwendig ein Produkt von Evolutionsprozessen ist und nur aus diesen Prozessen heraus verstanden werden kann. Mit der sich entwickelnden Komplexitätsökonomik kann man erwarten, dass neue Rezepte zur Förderung von Wirtschaftswachstum gefunden werden können.

 

2.     Traditionelle Wirtschaftslehre

 

Als traditionelle Wirtschaftslehre bezeichnet Beinhocker die in den Lehrbüchern zum wirtschaftswissenschaftlichen Grundstudium dargelegten Konzepte und Theorien, die als allgemein anerkannt gelten und auf die sich bis heute Zentralbankchefs, Präsidentenberater, Finanzminister und Manager der Geschäftswelt zur Begründung ihrer Programme und Aktivitäten berufen.

Grundlage dieser Lehre ist die Vorstellung, dass sich auf dem Markt ein Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage einstellt, durch das die Preise aller Waren bestimmt sind. Vorausgesetzt wird dabei, dass Käufer und Verkäufer vollständig über das gesamte Warensortiment informiert und in der Lage sind, rationale ökonomische Entscheidungen zur Ermittlung ihres eigenen maximalen Nutzens zu treffen und zu realisieren, wobei zunächst von einem vorhandenen Warenangebot ausgegangen und dessen Produktion vernachlässigt wird. Unter diesen Voraussetzungen stellen sich Preisrelationen ein, die volkswirtschaftlich optimal sind und zugleich eine gerechte Verteilung des Wohlstandes gewährleisten. Bis Mitte des 20.Jahrhunderts konnte dieses Modell weder das Mengenwachstum noch das Wachstum der Zahl der Warentypen erklären. Das Wachstum der Wirtschaft wurde zunächst auf äußere, endogene Faktoren zurückgeführt, wie z.B. das Bevölkerungswachstum und einen Zufallszustrom von Erfindungen, die durch das Wirken der Energie des Unternehmers die Wirtschaft antreiben sollten. Erst 1990 entwickelte Paul Romer die endogene Wachstumstheorie und erkannte die Bedeutung des technologischen Fortschritts und dessen grundlegenden Zusammenhang mit dem Wirtschaftswachstum als entscheidenden Faktor zur Steigerung der Produktivität. Erst damit wurde die positive Rückkopplung als antreibende Kraft des Wirtschaftswachstums deutlich.

 

3.     Kritik der Traditionellen Wirtschaftslehre: Chaos

 

Bereits im Jahre 1901 wiesen Naturwissenschaftlicher die Ökonomen auf die Unzulässigkeit ihrer Annahmen hin, aus denen diese ihre Theorien ableiteten. Diese Warnungen wurden ignoriert Das führte dazu, dass die traditionellen Theorien zu falschen Ergebnissen führen, die empirisch nicht bestätigt werden konnten. Die Hauptkritikpunkte sind:

·        Wirtschaftsysteme sind niemals im Gleichgewicht, sondern komplexe dynamische Systeme

·        Zeitliche Abläufe werden nicht richtig berücksichtigt

·        Empirische Daten werden nicht zur Überprüfung der Theorien benutzt, sondern liefern nur statistische Korrelationen, die keine kausale Erklärung der Phänomene liefern

·        Bei der Vielzahl der Warentypen ist es praktisch unmöglich, dass sich die theoretisch vorausgesetzten Marktgleichgewichte praktisch tatsächlich einstellen.

·        Die theoretisch vorausgesagte Nivellierung der Warenpreise im Euroraum hat sich praktisch nicht eingestellt, die Preisunterschiede sind gewachsen

·        Empirisch feststellbare Aktienkursschwankungen sind nicht wie theoretisch begründbar zufällig, sondern in sich korreliert

·        Auf Grund des II. Hauptsatzes der Thermodynamik kann ein Wirtschaftssystem gar kein Gleichgewichtssystem sein, sondern verbraucht ständig freie Energie und exportiert Entropie, nur dadurch kann Wohlstand entstehen

 

Die Wirtschaft wird durch die traditionelle Wirtschaftstheorie als Gleichgewichtssystem falsch klassifiziert und kann deshalb die realen Wirtschaftsprozesse nicht richtig beschreiben.

 

4.     Die Zuckerwelt

Die traditionelle Wirtschaftslehre interessiert sich mehr für die Verteilung des ökonomischen Kuchens als für dessen Herkunft. Die Existenz von Wirtschaftsstrukturen wird implizit vorausgesetzt.

Joshua Epstein und Robert Axtell entwickelten  1996 ein Computermodell, das in der Lage war, den Entstehungsprozess eines Wirtschaftsystems zu erklären und nachzuvollziehen. Grundlage des Modells ist eine 50 X 50 Rasterlandschaft, auf der an verschiedenen Orten mit unterschiedlicher Fruchtbarkeit Zucker und Gewürz wächst. In dieser Landschaft werden zufällig verteilt 250 Akteure ausgesetzt, die in jedem Zeitschritt folgende Handlungen vollziehen:

·        Feststellen, in welchem Punkt ihres Gesichtskreises der meiste Rohstoff liegt

·        Bewegung zu diesem Punkt und Verzehr des Rohstoffs

·        Verbrauch und Speicherung des Rohstoffs

·        Wird der Rohstoffvorrat eines Akteur negativ, stirbt der Akteur.

 

Die individuellen Eigenschaften jedes Akteur sind genetisch bedingt und anfangs zufällig verteilt. Im Laufe der Zeit entstehen durch Selbstorganisation folgende Prozesse:

·        Die Akteure entdecken die fruchtbaren Gegenden und wandern dort hin

·        Einige Akteure sterben, bevor sie diese erreichen

·        Durch Speicherung des Rohstoffe wird die anfänglich flache Reichtumsverteilung immer ungleichmäßiger

·        Die Reichsten werden immer reicher im Verhältnis zu den Ärmsten

 

Die Ungleichmäßigkeit der Reichtumsverteilung ist keine direkte Folge der genetisch bedingten Eigenschaften der Akteure oder ihres Geburtsortes, denn während letztere zufällig verteilt sind (Gauss-Verteilung), ist die Reichtumsverteilung eine Potenzverteilung. Die aus den Grundregeln des Systems folgende Dynamik führt dazu, dass geringe Abweichungen vom mittleren Reichtum sich laufend verstärken und damit die Reicheren immer reicher und die Ärmeren immer ärmer werden.

 

Im zweiten Modell wurden die Eigenschaften der Akteure durch „sexuelle“ erweitert:

·        Alter und Geschlecht ermöglichten die Paarung an benachbarten Punkten

·        Das Kind erbte Eigenschaften und Reichtum je zur Hälfte von den Eltern

 

Die Folgen waren:

·        Die schwächsten genetischen Merkmale und die Ärmsten starben aus

·        Die durchschnittlichen genetischen Merkmale verbesserten sich

·        Der Wohlstand und die Ungleichmäßigkeit der Reichtumsverteilung nahm zu

·        Bevölkerungsschwankungen und Hungerzeiten traten auf

Im dritten Schritt durften sich begegnende Akteure Zucker und Gewürz tauschen. Es entstanden Handelsrouten und der Reichtum wie auch der Abstand zwischen arm und reich vergrößerten sich weiter. Der Handelsumfang war jedoch größer als im traditionellen Gleichgewichtssystem zu erwarten war und die Handelspreise schwankten stark um den zu erwartenden Gleichgewichtspreis, erreichten diesen aber niemals und waren stark abhängig vom Handelsort. (Die im Buch gezeigten Grafiken stehen aber zum Teil in einem nicht nachvollziehbaren Widerspruch zu den angeblich daraus ableitbaren Aussagen.)

Im vierten Schritt wurde den Akteuren gestattet, Kredite aufzunehmen und zu vergeben, wobei Zinssatz, Kreditlaufzeit und Sanktionen vorgegeben wurden. Zunächst vergaben reiche Akteure Kredite an Arme, aber später entwickelte sich eine Finanzwirtschaft, indem Zwischenhändler als Vermittler auftraten.

 

Das einfache Modell der Zuckerwelt ist natürlich nicht in der Lage, die komplexen Beziehungen der realen Wirtschaft richtig wiederzuspiegeln, es verzichtet jedoch auf viele unrealistische Annahmen, die in der traditionellen Wirtschafttheorie vorausgesetzt werden. Es liefert aber einen Ansatzpunkt, von dem aus eine Komplexitätsökonomik entwickelt werden könnte, die zu völlig neuartiger Betrachtungsweise in der Wirtschaftstheorie führen könnte:

 

5.     Dynamisches Nichtgleichgewicht

Die Wirtschaft ist ein nichtlineares dynamisches System. Nichtlinearität kommt dadurch zustande, dass die Ergebnisse eines Prozesses die Anfangsdaten beeinflussen. Positive Rückkopplung liegt vor, wenn steigende Ergebnisse die Eingangsdaten so beeinflussen, dass der Anstieg verstärkt wird. In diesem Fall werden Abweichungen immer größer. Bei negativer Rückkopplung schwächen ansteigende Ergebnisse den Anstieg. Dadurch wird ein Gleichgewicht erreicht.

Treten in der Rückkopplungsschleife Zeitverzögerungen auf, wird das dynamische Verhalten komplex und es können Schwingungen auftreten.

Die wichtigste negative Rückkopplungsschleife in der Wirtschaft ist der Zusammenhang von Preis, Angebot und Nachfrage. Bei steigender Nachfrage steigt der Preis, das Angebot wird erhöht und der Preis stabilisiert sich wieder. In der traditionellen Wirtschaftslehre werden aber Zeitverzögerungen, die durch Zwischenlager und Produktionserhöhungen entstehen, vernachlässigt. Dadurch kommt es zu konjunkturellen Schwingungen und zu Schwankungen der Lagerbestände, die bis zu Konkursen führen können. Dies bedeutet bei der Vielzahl der ökonomischen Parameter, dass sich weder bei positiven noch bei negativen Rückkopplungen in real interessierenden Zeitabständen ein Gleichgewicht einstellt.

 

6.     Die Rationalität der Akteure

Die traditionelle Wirtschaftslehre geht von der Annahme aus, dass alle Akteure stets vollständig informiert sind und davon ausgehend stets die rational beste Entscheidung treffen, bevor sie handeln. Es ist vollkommen klar, dass diese Annahme unrealistisch ist, aber sie wird trotzdem zu Grunde gelegt, weil mit den traditionellen mathematischen Methoden sonst keine Lösung zu finden ist. Abweichungen der Theorie von der Realität werden dann durch zufällige äußere Einflüsse erklärt, obwohl diese nicht den Zufallsgesetzen entsprechen.

 

In der Realität haben die Akteure jedoch unvollständige Informationen und treffen ihre Entscheidungen anhand von Faustregeln, die sie entsprechend ihren unterschiedlichen Erfahrungen ständig vervollkommnen und bewerten. Dieser Prozess wird in der Komplexitätsökonomik mit Computersimulationsprogrammen nachvollzogen, wodurch die Abweichungen des realen Verhaltens der Wirtschaft von den Ergebnissen der traditionellen Wirtschaftstheorie zwar exakt erklärt, aber dennoch in ihrem zeitlichen Verlauf nicht vorausberechnet  werden können, weil sie von den individuellen Erfahrungen der Akteure abhängen.

 

7.     Netzwerke und Grenze zur Ordnung

Wie alle komplexen Systeme ist auch die Wirtschaft ein Netzwerk. Die Netzwerke bestehen aus Knoten und Verbindungen zwischen ihnen. Die Anzahl der Zustände eines Netzwerkes und damit auch die seiner Möglichkeiten wächst exponentiell mit seiner Größe. Sobald die Anzahl der Verbindungen die der Knoten übersteigt, wird die Funktionalität des Netzwerkes komplex und schwer überschaubar. Ein Zufallsnetzwerk erreicht seine höchste Effektivität , wenn die Anzahl der Verbindungen diejenige der Knoten um das 2- bis 4-fache übersteigt. Bei noch größerer Anzahl der Verbindungen wird die Grenze zum Chaos überschritten, wie Computersimulationen zeigen. In Wirtschaftsunternehmen verringert sich dann die Anpassungs-  und Entscheidungsfähigkeit. Durch Verringerung der Vernetzungsdichte und hierarchische Strukturen des Netzwerks  kann die Entscheidungsfähigkeit verbessert werden. Diese Eigenschaft wird durch den Bias beschrieben. Bei einem Bias von 50% wird durch zufällig verteilte Eingangsdaten des Netzwerks ein zufällig verteiltes nicht berechenbares Ergebnis erzielt. In hierarchischen Netzwerken ist der Bias größer oder kleiner und das Ergebnis berechenbarer.

 

8.     Emergenz

Systeme erzeugen emergente Eigenschaften, die sich nicht aus den Eigenschaften der sie bildenden Elemente ableiten. Wenn zufällig auf ein System einwirkende Störungen des Systems eine nichtzufällige Verteilung im Ausgangsverhalten erzeugen, so wird das durch nichtzufällige Verhaltensregeln der Systemelemente und durch die Struktur des Systems bewirkt. Inder traditionellen Wirtschaftstheorie werden viele Schwankungen wie z. .B. die der Preise, Aktienkurse und Lagerbestände als zufällig angenommen, während sie in der Realität nicht zufällig verteilt sind und systembedingte Ursachen haben. Um darauf gezielt Einfluss nehmen zu können, bemüht sich die Komplexitätsökonomik die verhaltens- und strukturbedingten Ursachen zu erforschen.

 

9.     Evolution

Wirtschaftswachstum beruht auf den allgemeinen Algorithmen der Evolution:

·        Variation zur Veränderung des Alten

·        Selektion zur Auswahl des Geeignetsten

·        Replikation zum Erhalt und zur Vermehrung des Geeignetsten

Wirtschaftsentwicklung ist Fortsetzung der Menschwerdung. Die Komplexitätsökonomik geht davon aus und sucht die Evolutionsalgorithmen und die Erkenntnisse der Evolutionstheorie zu nutzen. In der grob korrelierten Fitnesslandschaft eines Evolutionssystem mit großen und kleinen Gipfeln ist eine Kombination kleiner Mutationen mit großen sprungförmigen Veränderungen die günstigste Strategie zur Erzielung hoher Evolutionsgeschwindigkeiten.

 

10. Möglichkeitsräume

Auf Computern simulierte Evolutionsprozesse zeigen, dass die Effizienz der Überlebensstrategien beliebig definierter Spezies von den praktizierten Strategien der in ihrer Umgebung operierenden Spezies abhängt. Entscheidender Parameter ist dabei das Ausmaß bzw. das Verhältnis zwischen Kooperation und Rivalität und die Fähigkeit, Rivalität abzuwehren und Kooperation zu fördern. In sehr großen Möglichkeitsräumen entwickeln sich durch zufällige Mutationen immer wieder neue nicht vorhersagbare Strategien, die den betreffenden Spezies zeitweise beträchtliche Überlebensvorteile gewähren, bis andere Spezies Gegenmaßnahmen entwickeln. Es gibt keine berechenbare optimale Strategie, die für alle Zeiten gültig wäre.

Nicht alle Punkte eines theoretisch unendlich großen Möglichkeitsraumes sind zu jeder Zeit real erreichbar. Deshalb wächst ein sehr großer Möglichkeitsraum ständig weiter an.

Die Evolution der Wirtschaft ist eine Koevolution in drei verschiedenen Möglichkeitsräumen, im Raum der möglichen physikalischen Technologien, im Raum der möglichen sozialen Technologien und im Raum der möglichen Geschäftspläne. Den Geschäftsplänen fällt die entscheidende Rolle zu, physikalische und soziale Technologien unter dem Dach einer gemeinsamen Strategie zu verbinden.

 

11. Physikalische Technologien

Die Entwicklung der Technik vom Faustkeil bis zum Raumschiff weist alle Merkmale eines allgemeinen Evolutionsprozesses auf. Zu Beginn der Erfindung einer neuen Technologie ist das Herumprobieren in der Landschaft der technischen Möglichkeiten charakteristisch und es gibt nur allmählich Verbesserungen. Wird dabei ein wesentlicher Fortschritt gefunden, konzentrieren sich die Forschungen auf dieses erfolgreiche Gebiet und grasen die durch den Stand der Wissenschaften bekannten und berechenbaren Verbesserungen in der näheren Umgebung ab. Dadurch entwickelt sich die neue Technologie schnell und lässt benachbarte Gebiete weit hinter sich. Bald wird jedoch ein Gipfel in der Fitnesslandschaft erreicht und es sind nur noch geringfügige Verbesserungen zu erzielen. Die Entwicklungslinie dieser Technologie ähnelt einer S-Kurve. Es beginnt dann ein erneutes Herumprobieren in einem weit gestreuten Raum, bis eine grundsätzlich neue Technologie erfunden wird.

 

12. Soziale Technologien

Soziale Technologien sind wie die physikalischen Technologien eine Grundlage für erfolgreiches Wirtschaften und bestimmen die Produktivität der Wirtschaftseinheiten wesentlich mit.

Soziale Technologien sind Methoden und Entwürfe zur Interaktion und Organisation von Menschen zur Erreichung ihrer Ziele. Ihre Elemente sind Institutionen, Spielregeln, soziale Strukturen, Prozesse und kulturelle Normen. Sie sind zum Teil schriftlich festgelegt. Zum Teil aber auch nur in den Köpfen der Menschen verankert. Die Entwicklung der sozialen Technologien beginnt mit den Kooperationsmethoden der Jäger und Sammler und reicht bis zu den Rechtssystemen der Staaten und den Organisationsstrukturen der multinationalen Konzerne und Banken. Sie vollzieht sich nach den Gesetzmäßigkeiten der Evolution durch Veränderung, Selektion und Nachahmung.

Triebkraft der Entwicklung sozialer Technologien ist der Wettbewerb um bessere Methoden der Kooperation. Sobald die Menschen erkannten, das ihre Kooperation zu höherem Nutzen führt als wenn sie isoliert arbeiten, entwickelte sich die Zusammenarbeit. Der höhere Nutzen resultiert aus 4 Quellen:

·        Arbeitsteilung bei unterschiedlichen Fähigkeiten

·        Unterschiedliche Bedürfnisse der Menschen

·        Bessere Ausnutzung der Ressourcen

·        Zeitlicher Ausgleich von Risiken

Der Nutzen der Kooperation ist um so größer, je mehr sich die Kooperationspartner gegenseitig vertrauen und vertrauen können und je größer die Kooperationsgemeinschaften sind. Vertrauen gegenüber dem Kooperationspartner muss allmählich aufgebaut werden und wird durch Betrugsmanöver gestört, weshalb sich parallel dazu auch Technologien zur Erkennung und Bestrafung von Betrug entwickeln. Kooperation entwickelt sich zunächst in Familien und weitet sich später in Stammesgesellschaften und Handelsorganisationen aus. Wenn größere Gemeinschaften kooperieren wollen, sind Rechtssysteme zur Bekämpfung von Betrug erforderlich. Kooperationsgemeinschaften können nur erfolgreich kooperieren, wenn sie von Individuen mit entsprechender Führungsstärke und Autorität geleitet werden und wenn zur Leitung eine angemessene Hierarchie aufgebaut wird. Die Entwicklungsgeschichte der sozialen Technologien ist deshalb eine Geschichte der Findung und Erprobung von immer besseren Methoden zur Beherrschung der Zusammenarbeit von immer größeren Gruppen von Menschen.

In einem etwas kleineren Maßstab betrachtet finden etliche Punkte auch bei der Personalentscheidung ihre Anwendung. So haben Human Resource Manager darauf zu achten die Mitarbeiter nach Ihren Befähigungen optimal einzusetzen und wo es Kompetenzmangel gibt ggf. neue Mitarbeiter einzustellen. Für ein guten Betriebsklima hat der HR-Manager natürlich auch auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter zu achten und diesem im Einklang mit den Firmenvorgaben zu bringen.

13. Struktur der Ökonomischen Evolution

Die Akteure der ökonomischen Evolution sind die Geschäftseinheiten der Wirtschaftsunternehmen und vergleichbar den Organismen der biologischen Evolution. Beinhocker definiert als Geschäftseinheit eine Person oder eine strukturierte Gruppe von Personen, die Materie, Energie und Informationen von einem Zustand in einen anderen verwandeln, mit dem Ziel, Gewinn zu machen.

Eine Firma besteht aus einer oder mehreren Geschäftseinheiten. In jeder Geschäftseinheit können eine oder mehrere Produktlinien bearbeitet werden. In jeder Geschäftseinheit existiert ein Geschäftsplan, der die physikalische und die soziale Technologie zur Herstellung und zum Vertrieb der Produkte beschreibt. Die Geschäftspläne bestehen aus Komponenten oder Modulen, die durch die Geschäftsstrategie miteinander verknüpft sind. Die Module sind die Selektionseinheiten, die den Erfolg der Geschäftseinheit im Wettbewerb mit anderen Geschäftseinheiten bestimmen und vergleichbar sind mit den Genen der Lebewesen. Wie das Genom die Fitness der Lebewesen, so bestimmt der Geschäftsplan den Erfolg der Geschäftseinheit.

Die in der Geschäftseinheit tätigen Angestellten (bei Beinhocker: die Bürokraten) sind ständig bemüht, die Komponenten des Geschäftsplanes zu verändern, um durch kleine Variationen zu Verbesserungen zu gelangen, die den Erfolg der Geschäftseinheit optimieren sollen. Sie gelangen dabei zu einem lokalen Gipfel der Fitnesslandschaft, von wo aus weitere kleine Veränderungen nur noch negative Folgen haben. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss hier der Unternehmer eingreifen und durch risikobehaftete Entscheidungen radikale Veränderungen des Geschäftsplanes veranlassen, die aber auch zum kompletten Misserfolg der Geschäftseinheit führen können.

Im Evolutionsprozess bestimmt das Selektionsverfahren und das Selektionskriterium das Ziel der Evolution. In den Anfängen der Wirtschaftstätigkeit war das Selektionskriterium das reine physische Überleben des Akteurs. Im Verlauf der Geschichte haben sich zwei Selektionsverfahren entwickelt: Entweder ein Anführer (Big-Man) oder der Markt bestimmt das Überleben der Geschäftseinheit. Im Big-Man-System bestimmen demzufolge die Machtinteressen des Anführers die Evolutionsziele und im Marktsystem die Interessen der Marktteilnehmer. Alle Ökonomien der Geschichte waren eine Mischung zwischen den beiden Systemen, dabei gab es aber eine allmähliche Verschiebung vom Big-Man- zum Marktsystem. Heute wird innerhalb der Unternehmen von hierarchischen Big-Man-Systemen und zwischen den Unternehmen vom Markt entschieden, ob eine Geschäftseinheit erfolgreich ist oder abgebaut werden muss. Dementsprechend gestalten sich die Evolutionsziele.

Erfolgreiche Geschäftseinheiten weiten sich aus und deren Geschäftspläne und die den Erfolg bestimmenden Module werden von anderen Geschäftseinheiten übernommen, während andere Module aussterben.

Auch wenn das Marktsystem kein Gleichgewicht erzeugt und gravierende Probleme mit sozialen Ungleichheiten, Umweltzerstörung und Gesundheitskrisen hervorbringt, so ist es dennoch dem Big-Man-System überlegen, weil man es als einen effizienten evolutionären Suchmechanismus interpretieren kann.

 

14. Wohlstand als überlegene Ordnung

Die Gesetzmäßigkeiten der ökonomischen Evolution müssen als empirische Gesetze aufgefasst werden, die die gleiche Wertigkeit wie der II. Hauptsatz der Thermodynamik besitzen und mit diesem in Übereinstimmung sind. Sie folgen drei Grundbedingungen:

·        Ökonomische werterzeugende Prozesse sind thermodynamisch unumkehrbar. Man kann geschaffene Werte nicht zerstören und dabei die bei ihrer Schöpfung verbrauchte Energie wiedergewinnen

·        Alle werterzeugenden ökonomischen Prozesse reduzieren die Entropie lokal innerhalb des betrachteten ökonomischen Systems und vermehren sie außerhalb des Systems.

·        Alle werterzeugenden ökonomischen Prozesse produzieren Artefakte oder Aktionen, die menschlichen Zweckkriterien genügen und geeignet sind, die menschliche Fitness zu erhöhen.

Der Wert der geschaffenen Produkte resultiert daraus, dass sie Bedeutung haben für die Verbesserung der Lebensbedingungen, die materiellen, lebensnotwendigen, luxurösen und geistigen Bedürfnisse der Menschen befriedigen und diese bereit sind, dafür den geforderten Preis zu zahlen. Die Entwicklung dieser Bedürfnisse erfolgt in einem parallel verlaufenden Ko-evolutionsprozess nach ähnlichen Gesetzmäßigkeiten, d.h. sie entwickeln sich entsprechend den Angeboten und umgekehrt. Dabei steigen die Bedürfnisse infolge des Wettbewerbs der Individuen um Gesundheit, Ansehen und Besitz. Wohlstand und Werte bedeuten nicht nur materielle Werte, sondern auch Wissen und sie werden gesetzmäßig in der Evolution erzeugt, in der jedwede überlegene Ordnung über die weniger geeignete obsiegt. Die Bedürfnisse des Menschen sind nicht nur physisch und genetisch bedingt, sondern auch sozial  von der Umwelt bestimmt.

Wertschöpfung erfolgt nicht nur durch die unumkehrbare Herstellung von Produkten niedriger Entropie aus Rohstoffen höherer Entropie unter Hinterlassung von Abfall sehr hoher Entropie, sondern auch durch Handel, durch den Waren von dem Verkäufer, der geringeres Interesse daran hat, zum Käufer gelangen, der ein höheres Interesse daran hat. Dieser Vorgang ist ebenfalls unumkehrbar. An der Rückgängigmachung dieses Handels hat normalerweise keiner ein Interesse. Wertschöpfung ist Herstellung einer höheren Ordnung entsprechend den Wünschen der Menschen.

 

15. Evolutionäre Strategie

Evolutionäre Prozesse sind von Zufällen beeinflusst und zukünftige Entwicklungen grundsätzlich nicht langfristig vorhersagbar. Die Evolution lässt sich nicht überlisten, aber wir können lernen, sie zu verstehen und ihre Kraft für unsere Zwecke einzusetzen.

Geschäftsstrategie lässt sich definieren als Bestimmung der grundlegenden langfristigen Ziele eines Unternehmens und Ausführung der dafür notwendigen Schritte und Ressourcenzuteilungen.

 In der traditionellen Wirtschaftslehre geht man davon aus, dass es möglich ist, Voraussagen über den zukünftigen Erfolg von Strategien zu machen, die einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil schaffen. Die Erfahrung zeigt, dass es nur zeitweilige, aber keine nachhaltigen Wettbewerbsvorteile gibt.

In der Komplexitätsökonomik kommt es darauf an, die Geschäftslage laufend zu analysieren und davon ausgehend mit mehreren möglichen Geschäftsstrategien zu experimentieren und sich darauf vorzubereiten, entsprechend den erzielten Ergebnissen jederzeit von der einen zu einer anderen Strategie wechseln zu können. Fähigkeit zur Anpassung und zur Auswahl aus mehreren erprobten Strategien ist oberstes Ziel der Geschäftsstrategie. Das erfordert Überschusskapazitäten, die ständig zur Erprobung von Innovationen einsetzbar sind.

 

16. Organisation

Die Anpassungsfähigkeit der Unternehmen wird wesentlich von ihrer Struktur bestimmt. Die Effektivität der Wirtschaftsprozesse wächst auf grund der Emergenz mit der Größe der Unternehmen. Große Unternehmen erfordern eine hierarchische Struktur, die sich infolge wachsender Erfahrungen an die Erfordernisse der laufenden Wirtschaftsprozesse anpasst. Gleichzeitig behindert eine tiefe Hierarchie aber die Flexibilität und Anpassungsfähigkeit des Unternehmens an wechselnde Erfordernisse. Die Gestaltung der Hierarchie bezüglich Tiefe und Zentralisation ist ein Kompromiss zwischen Effektivität der laufenden Produktion und Anpassung an veränderte Umgebungsbedingungen durch Erkundung von Innovationen. In Perioden eines stabilen Wachstums sind straff organisierte Hierarchien im Vorteil, während in Umbruchperioden eine lockere Unternehmenskultur Innovationen fördert und Anpassungen erleichtert.  Oft kann die innere Struktur eines Unternehmens nur durch einen Personalwechsel wirksam verändert werden. Der Führungsstil der obersten Manager ist dann entscheidend für das Schicksal des Unternehmens.

 

17. Theorie der Finanzmärkte

Bis zum Ende des 20. Jahrhunderts galt in der Finanzwelt uneingeschränkt die traditionelle Finanztheorie, der zu Folge sich laufend ein Marktgleichgewicht der Börsenkurse einstellt. Grundlage dieser Theorie war eine im Jahre 1900 von L.Bachelier aufgestellte Hypothese, nach der der Kurs einer Akte rein zufällige Schwankungen aufweist, die lediglich die zufällig bekannt werdenden  Informationen über die Wirtschaftslage des betreffenden Unternehmens wiederspiegeln sollten. Diese Hypothese blieb 60 Jahre lang unbeachtet und wurde ab 1954 von vielen namhaften Ökonomen zur führenden Grundlage der traditionellen Finanztheorie ausgebaut. Eine wichtige Schlussfolgerung aus dieser Theorie besagte, dass der Wert einer Akte dem Börsenkurs entspricht und dieser Marktpreis sich aus den jeweils bestmöglichen Schätzungen und Erwartungen der Börsenhändler bildet, die alle relevanten Informationen über das betreffende Unternehmen besitzen und auswerten. Veränderungen der Aktienkurse können sich dann nur ergeben, wenn neue Informationen publik werden, die die Schätzungen der Börsenhändler verändern. In diesen Schätzungen wird gleichzeitig das erwartete Wirtschaftswachstum des betreffenden Unternehmens und der Gesamtwirtschaft berücksichtigt.

Bereits Mitte der 60er Jahre tauchten mit den Arbeiten von Mandelbrot Zweifel an den Grundlagen dieser Theorie auf, weil nachgewiesen wurde, dass die Schwankungen der Börsenkurse nicht rein zufällig waren. Diese Zweifel wurden aber nicht Ernst genommen, bis infolge der Ereignisse 1990 zahlreiche Naturwissenschaftler aus der Rüstungsindustrie naturwissenschaftliche Methoden in die Finanztheorie übertrugen und die in den 90er Jahren auftretenden Spekulationsblasen das Vertrauen in die traditionelle Finanztheorie ernsthaft erschütterten.

In der traditionellen Theorie wird angenommen, dass die Börsenagenten Aktien kaufen, wenn ihr Kurs niedriger ist als der geschätzte Wert und verkaufen, wenn er höher ist. Dies führt am Markt zur Annäherung der Kurse an den tatsächlichen Wert der Aktie. Tatsächlich analysieren die Börsenagenten aber den Kursverlauf, ohne den wahren Wert zu kennen und optimieren ihr Verhalten nach dem Erfolg ihrer Strategien, die sie laufend verbessern. Dies führt dazu, dass der Kurs nicht mehr den Wert repräsentiert und wilde Schwankungen vollführt. Wer diese Schwankungen am besten vorhersagen kann, macht die größten Gewinne und kann diese dann dafür einsetzen, Schwankungen zu erzeugen, die er selbst wieder am besten voraussagen kann. Der Finanzmarkt ist damit nicht mehr effizient zur Feststellung des Aktienwertes, sondern führt zur Selektion des besten Börsenagenten. 

Für die Unternehmensführung eines Unternehmens, das an der Börse gehandelt wird, hat dies 3 Konsequenzen:

·        Die gängigen Methoden zur Berechnung der Kapitalkosten sind falsch oder mindestens unzuverlässig, der Zusammenhang zwischen Risiko und Renditeerwartungen wird verfälscht

·        Die Bewertung des Erfolgs der Unternehmen nach dem Kurs seiner Aktien ist falsch und bedient nur die Interessen der Anteilseigner, aber nicht volkswirtschaftliche Interessen. Deshalb ist auch die Kopplung der Managervergütung an die Aktienkurse problematisch.

·        Nach der traditionellen Wirtschaftstheorie sorgt der Markt dafür, dass der maximale Gewinn eines Unternehmens gleichzeitig auch den gesamten volkswirtschaftlichen Nutzen optimiert. Dies wird massiv in Frage gestellt. Unter Evolutionsbedingungen kann der Gewinn nicht das einzige Ziel eines Unternehmens sein, sondern nur eine Randbedingung seiner Existenz. Ziel der Unternehmensstrategie muss vielmehr die Sicherung des Wachstums und des langfristigen Fortbestands des Unternehmens unter wechselnden Umwelt- und Marktbedingungen sein.

18. Politische Positionsbestimmung

Im Grunde sind im 20. Jahrhundert sowohl die linken, auf den marxistischen Prinzipien beruhenden staatlich gelenkten als auch die rechten, neoliberalen marktwirtschaftlichen Wirtschaftssysteme gescheitert. Die Menschen als die mikroökonomischen Agenten verhalten sich eben weder vollkommen altruistisch, wie von den linken Ideologen unterstellt, noch vollkommen egoistisch auf ihren eigenen Nutzen ausgerichtet, wie dies von den neoliberalen Ideologen vorausgesetzt wird. Diverse Studien und soziologische Experimente zeigten vielmehr, dass eine strenge Reziprozität bevorzugt wird, die auch der Tit-for-Tat-Strategie zugrundeliegt: Die individuellen Agenten verhalten sich solange kooperativ, wie auch der Kooperationspartner ehrlich und fair ist, aber wenn letzterer  betrügt und seine eigenen Interessen in den Vordergrund stellt, so werden die Kooperation abgebrochen und Sanktionen  verhängt. Ein solches Verhalten fördert den Evolutionsprozess am meisten und wird deshalb in der Evolution hervorgebracht und stabilisiert. Genau dieses Verhalten setzt jedoch die Komplexitätsökonomie voraus und besitzt deshalb realistischere Grundlagen. Zur Realisierung der ökonomischen Kooperation haben sich zwei unterschiedliche Strategien herausgebildet:  Hierarchien und Märkte. Beide Organisationsformen gibt es sowohl in der kapitalistischen wie auch in der sozialistischen Wirtschaft. Aus komplexitätsökonomischer Sicht besteht der wichtigste Unterschied zwischen einer kapitalistischen und einer sozialistischen Wirtschaft darin, ob der letzte Richter über die ökonomische Fitness ein Markt oder eine Hierarchie ist. Eine rein sozialistische, zentralgesteuerte Wirtschaft kann nicht funktionieren, weil in einer heute derart komplexen Wirtschaft die hierarchische Koordination des Wissens nicht gelingt, die eine Voraussetzung für die Entscheidung ist, was produziert werden soll. Dieses Wissen ist über die gesamte Gesellschaft verstreut und bis es gesammelt und ausgewertet ist, sind die Daten längst wieder veraltet. In reinen Planökonomien spiegelt die Fitnessfunktion zwangsläufig die Interessen der Machthierarchien und nicht die Interessen der breiten Gesellschaft wieder.

Die neoliberale reine Marktwirtschaft kann nicht funktionieren, weil auch die individuellen Handelspartner nicht die umfassende Information besitzen, die für das Funktionieren des Marktgleichgewichts vorausgesetzt wird. Außerdem funktioniert der Markt nur mit sozialen Technologien wie Vertragsrecht, Verbraucherschutzgesetzen, Arbeitsschutzregeln und Wertpapiergesetz, deren Einhaltung nur der Staat gewährleisten kann. Ohne Staat funktioniert die Marktwirtschaft nicht.

Der Staat kann und muss die ökonomische Fitnessfunktion beeinflussen, aber dies darf nicht willkürlich erfolgen und muss über das demokratische Mitspracherecht das Verhalten der mikroökonomischen Agenten und die Interessen der gesamten Gesellschaft berücksichtigen.

Kulturelle Normen können die erfolgreiche ökonomische Entwicklung beeinflussen:

Kulturelle Normen sind historisch bedingt von Kultur zu Kultur sehr unterschiedlich, ihr Einfluss auf die ökonomische Entwicklung aber nur schwer berechenbar und noch wenig erforscht.

In allen Kulturen ist die Wohlstandsverteilung sehr ungleich und die soziale Mobilität gering. Dies weist darauf hin, dass die soziale Verortung in hohem Maße durch Gene und Meme bedingt ist. Politische Appelle und Programme versuchen durch universellen Gesundheitsschutz, Verbesserung des Bildungswesens und Umverteilung der Einkommen mehr Gleichheit zu erzielen, die praktischen Erfolge sind bisher aber gering.

Die Komplexitätsökonomik geht über das traditionelle Links-Rechts-Schema hinaus und stellt evolutionäre Wachstumsprozesse in den Mittelpunkt. Dadurch entsteht auf einer wissenschaftlicheren Basis eine neue Sichtweise und ein besseres Verständnis gesellschaftlicher Entwicklungsprobleme, auch wenn sie nicht in der Lage ist, die Zukunft der Gesellschaft vorauszusagen, die vom Verhältnis Markt, Wissenschaft und Demokratie bestimmt sein wird.