Sozio-ökologische Systeme
(Andreas Metzner in Beckenbach/Diefenbacher)
1. Konventionelle ökonomische und sozialwissenschaftliche Betrachtungsweisen
Die konventionelle Umweltökonomie versucht die Nutzung von ökologischen Ressourcen und die Kosten der Umweltverschmutzung in die betriebswirtschaftliche und volkswirtschaftliche Ökonomie zu integrieren, um ökologischen Belangen Rechnung zu tragen. Dabei wird aber die ökologische Dimension der Umweltproblematik von vornherein unterbelichtet, da die Dynamik der Veränderung ökologischer Systeme und erst recht ihre Wechselwirkung mit gesellschaftlichen Entwicklungsprozessen nicht thematisiert wird. Umgekehrt betrachtet die klassische Ökologie die von der Tätigkeit des Menschen ausgehenden Einwirkungen auf die Umwelt lediglich als Störungen eines ansonsten vorhandenen ökologischen Gleichgewichts, die minimiert werden müssen. Die sachgemäße Einordnung kultureller, sozialer und ökonomischer Dimensionen des gesellschaftlichen Lebens in den fundamentalen Zusammenhang der Ökologie erfordert jedoch ein vollkommen neuartiges interdisziplinäres Vorgehen.
2. Selbstorganisation biologischer und ökologischer Systeme
Biologische wie ökologische Systeme sind als offene Systeme gleichermaßen in der Lage, durch Aufnahme energetischer und stofflicher Ressourcen aus der Umgebung die Komplexität ihrer inneren Struktur selbstorganisatorisch zu erhöhen und ihre innere Dynamik operational geschlossen zu gestalten. Der Mensch mit seiner raschen soziokulturellen Entwicklung bleibt in das Strukturgefüge ökologischer Systeme eingebunden. Durch Entwicklung seiner wissenschaftlich - technischen und sozial - organisatorischen Möglichkeiten muß er dafür sorgen, das der Evolutionszusammenhang mit der Umwelt nicht verlorengeht. Dies bleibt eine historisch immer schwierigere Aufgabe.
3. Modell des sozio - ökologischen Systems
Der Mensch ist gleichzeitig Element des ökologischen und des soziologischen Systems und integriert deshalb beide Systeme zu einem übergeordneten komplexen System. Als ökologisches System ist es offen und realisiert Austauschprozesse mit der Umwelt zur Sicherung seiner ökologischen Selbstreproduktion. Als kommunikatives Systems ist es operational geschlossen und organisiert Wahrnehmungsprozesse und Handlungsanweisungen in Bezug zur umgebenden Natur. Die sozialen Handlungen können ganz unterschiedliche ökologische Auswirkungen haben:
- folgenlos
- Folgen werden durch Selbstreinigungskräfte der Umwelt kompensiert
- Positive Folgen überwiegen negative Auswirkungen
- Mögliche Folgen werden ignoriert oder in ihrem Ausmaß unterschätzt
- Durch Wirkungsverzögerungen oder Kumulation werden erst spätere Generationen betroffen
- Hydrologische und metrologische Phänomene führen zu Ortsverlagerung der Auswirkungen
Die soziokulturelle Evolution ist damit weder vollständig umweltdeterminiert noch absolut autonom, sondern wechselseitig komplex verkoppelt.
4. Kritik der Luhmannschen Kommunikationstheorie
Die Luhmannsche Kommunikationstheorie sozialer und psychischer Systeme vernachlässigt völlig die materiell - ökologischen Austauschbeziehungen der betrachteten Systeme. Damit gehen wesentliche Gesichtspunkte verloren, die einem offenen System erst Evolutionsmöglichkeiten gestatten. Die Luhmannsche Soziologie kann deshalb ökonomische Entwicklungen nicht adäquat beschreiben und muß sie auf Sinngebungsprozesse reduzieren. Metzner übernimmt die von Willke (s.o.) beschriebene Systemtheorie Luhmanns, erweitert sie aber um die Ökologische Dimension.
5. Ökonomische und ökologische Vernunft
Ökologische Zielstellungen, die lediglich aus der Optimierung ökonomischer Systeme abgeleitet werden, selbst wenn diese Belange der Ökologie z.B. in Form von "ökologischen Preisen" berücksichtigen, können nicht als vernünftig im Sinne ökologischer Betrachtungen angesehen werden. Es ist deshalb nicht zulässig, ökonomische Entscheidungen nur den Marktkräften zu überlassen. Die Zukunftsfragen der Gesellschaft müssen letztendlich politisch entschieden werden, wenn auch die wissenschaftliche Analyse der ökologischen Zusammenhänge noch nicht einen hierzu notwendigen Stand erreicht hat. Ausgangspunkt einer solchen Analyse muß jedoch ein ökonomisch - ökologisches Modell sein, das die wesentlichsten Zusammenhänge und Rückkopplungen adäquat beschreiben kann. Die Brauchbarkeit eines solchen Modells muß sich wie alle Theorien in der Anwendung zeigen, wobei die Schwierigkeit darin besteht, daß das Modell Selbstorganisationspotenziale der Gesellschaft freisetzen muß, die weit in die Zukunft weisen, wenn es katastrophale Entwicklungen rechtzeitig abblocken soll.