Kommentar zu dem Buch von Hans Joachim Schellnhuber
Selbstverbrennung
Eigentlich ist dieses Buch zu groß, zu umfangreich, zu bedeutend und zu vielfältig, als dass es an dieser Stelle kommentiert und angemessen gewürdigt werden könnte. Aber es kann auch nicht ausgelassen werden, denn es bietet nicht nur eine umfassende Übersicht über die gesamte Evolutionsgeschichte, sondern auch eine tiefgründige Analyse des Standes und der möglichen und zu erwartenden Weiterentwicklungen dieser Geschichte.
Als Ausgangspunkt bietet Schellnhuber als wahrscheinlich bestinformierter Wissenschaftler, Vorsitzender und Mitglied in zahlreichen internationalen wissenschaftlichen Beratungsgremien der Welt eine tiefgründige und allgemeinverständliche Übersicht über den gegenwärtigen Stand der Klimaforschung und den Einfluss von Klimaveränderungen auf die Geschichte der Evolution. Im Mittelpunkt steht dabei die im Industriezeitalter von der Menschheit hervorgerufene Veränderung des Klimas und die Analyse ihres weiteren Fortschreitens. Dabei wird insbesondere deutlich, dass es höchste Zeit ist, diesen Klimaveränderungen größte Aufmerksamkeit zu schenken und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, die gegenwärtig sich abzeichnenden Tendenzen zu beeinflussen und in erträgliche Bahnen zu lenken.
Schellnhuber
benennt in aller Deutlichkeit die unterschiedlichen Interessen, die
die Staaten, Wirtschaftskreise und Organisationen daran hindern,
gemeinsame und wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um einer
drohenden Klimakatastrophe zu begegnen. Seine umfangreichen
wissenschaftlichen, politischen und menschlichen Erfahrungen fasst er
in zwei Grundthesen zusammen und schätzt deren Realitätsgehalt
ein.
These 1: Der ungebremste Klimawandel wird schwerwiegende bis
katastrophale Folgen für die Menschheit haben. Die
Zuverlässigkeit dieser Einschätzung beträgt 90%.
These 2: Die Weltgesellschaft wird angemessen auf die Warnungen der Wissenschaft reagieren und die Erderwärmung auf ein beherrschbares Maß begrenzen. Zuverlässigkeit dieser Einschätzung 10%.
Aus der Kombination dieser beiden Thesen ergeben sich vier mögliche Szenarien für die Weiterentwicklung der Menschheit:
Es stellt sich heraus, dass die Klimaforschung sich geirrt hat, die politischen Entscheidungsträger aber der Wissenschaft ohnehin keinen Glauben schenken und nichts unternehmen. Eintrittswahrscheinlichkeit dieses Szenarios 9%.
Der Klimaforschung wird irrtümlicherweise Glauben geschenkt und es werden Billionen sinnlos verschleudert, um den vermeintlichen Risiken vorzubeugen, anstelle nützlichere Projekte zu verwirklichen. Eintrittswahrscheinlichkeit 1%.
Die Klimaforschung hat recht und es werden alle Anstrengungen unternommen, um den Risiken vorzubeugen. Die Eintrittswahrscheinlichkeit dieses Szenarios wäre 9%
Die Klimaforschung hat gute Arbeit geleistet, die politischen Entscheidungsträger haben es aber nicht geschafft, die erforderlichen Weichenstellungen rechtzeitig vorzunehmen. Eintrittswahrscheinlichkeit 81 %.
Wenn man verstehen will, warum der Verfasser zu diesen Einschätzungen gekommen ist und dennoch die Hoffnung nicht aufgibt, dass das dritte Szenario eintreten wird, muss man das Buch lesen. Man habe aber keine Angst davor, das Buch (725 Seiten!) ist interessant geschrieben und unterhaltsam!
13.1.2016
Bertram Köhler