Zeitraum
und Hauptvertreter
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Charakteristischer
Stand der Erkenntnisse zum Welt- und Menschenbild
1.
Heroische Phase
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Frühzeit Homer
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Entstehungsmythologien,
Götter erschaffen die ganze Welt Ilias, Odyssee
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Altertum 300 v.
Chr. Platon Aristoteles
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Beginn der
Spaltung des Weltbildes - Ideen als Muster der materiellen
Welt, wir sehen nur die Schatten der Ideen -
Entwicklungsreihenfolge: AnorganischesàPflanzenàTiereàMensch -
noch keine Kausalität
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Zeitenwende 100
v.Chr. Lukrez
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Anknüpfung
an Aristoteles, aber das Lebendige entsteht durch Urzeugung aus
dem Anorganischen, aus nichts kann nichts werden. Die Natur
schafft sich selbst aus Bedürfnis, Gebrauch und durch
Selektion
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Mittelalter,
Giordano Bruno, Kopernikus, Machiavelli, Leonardo, Galilei
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Die Lehren
des Lukrez werden vergessen, es dominiert die Schöpfungsgeschichte
des Christentums gemäß dem 1. Buch Moses, die
Schöpfungsreihenfolge der Bibel: Himmel, Erde, Licht à
Wasser à Pflanzenwelt
à Sonne, Mond und Sterne am
Firmament à Tierwelt à
Mensch entspricht bereits heutigen
wissenschaftlichen Erkenntnissen, wird aber durch Fossilfunde und
Astronomie erweitert.
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17./18.Jahrhundert
Maupertuis,
Lamettrie, Linnes, Voltaire
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Mechanistischer
Materialismus Wissenschaftliche Erkenntnisse werden geordnet,
der Einfluss von Klima und Umwelt auf die Entstehung und
Entwicklung des Lebendigen wird erkannt und diskutiert, statt in
Jahrmillionen aber wird in Jahrhunderten gedacht.
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Um 1800 Buffon,
Lamarck, Erasmus Darwin
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Positivismus
orientiert auf das empirisch Erkennbare, die Deutung bleibt
fragwürdig, nicht Wahrheit, sondern Nützlichkeit stehen
im Vordergrund. Lamarck erkannte klar die Ähnlichkeit der
systematisch geordneten Arten und Gattungen und erklärte sie
durch gegenseitige Abstammung. Er unterstellte eine Vererbung
erworbener Eigenschaften und stellte heraus, dass für die
Entstehung einer neuen Art aus einer vorhandenen wesentlich mehr
Zeit verstrichen sein müsste, als die von der biblischen
Geschichte zugestandenen und bis dato nicht angezweifelten 4000
Jahre.
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18./19.Jahrhundert Cuvier,
Geoffroy Saint-Hillaire, Goethe
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Empirische
Morphologie: Wahrnehmung und ihre Deutung bilden gemeinsam die
Grundlage der Erkenntnis, Erkennen aber hat Vorrang vor der
Erklärung und ist deren Voraussetzung.
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Beginn
19.Jahrhundert Malthus, Lyell, Spencer
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Durch den
Soziologen Malthus wurden die Bedingungen der
Populationsentwicklung ins menschliche Bewusstsein gebracht, der
Geologe Lyell zeigte anhand geologischer Entwicklungen die
Unhaltbarkeit des biblischen Zeitmaßstabes und Spencer
entwickelte aus seiner Philosophie heraus ein Entwicklungs- und
Fortschrittskonzept, das bei Tieren auf Anpassung an ihre
natürliche Umwelt, durch Vererbung von Funktionsänderungen
und Ausmerzung der Nichtgeeigneten, beim Menschen auf Anpassung an
seine soziale Umgebung beruhte.
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Döllinger, Burdach,
Baer
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Im Gegensatz
dazu vertrat Baer 1828 in seinem Hauptwerk "Über die
Entwicklungsgeschichte der Thiere" die Auffassung, dass die
Entwicklung aller Wirbeltiere einem Grundplan folgte, so wie die
Entwicklung aller Mollusken einem anderen. Von Anpassung und
Selektion war nicht die Rede.
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19. Jahrhundert
Charles Darwin,
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Darwin folgt
im wesentlichen der Theorie von Lamarck.
- Arten
verändern sich und stammen voneinander ab, der Mensch
inbegriffen
- Die am
besten angepassten Individuen werden selektiert und überleben
- Die
erworbenen angepassten Eigenschaften werden auch vererbt
-
Pangenetische Vererbungstheorie: die erworbenen Eigenschaften
aller Zellen sind in Stoffen fixiert, die über den Blutstrom
im Körper verteilt werden und so in die Keimzellen gelangen.
Die Mendelschen Gesetze kennt Darwin nicht.
Darwin kennt
aber bereits folgende Phänomene, die sich nicht durch
Anpassung und Selektion, sondern nur durch innere Bedingungen
erklären lassen und vertritt deshalb seine Theorie nur
zurückhaltend: - Missbildungen in der Embryonalentwicklung
- Atavismus,
Merkmale aus der vergangenen Stammesentwicklung - Doppel- und
Mehrfachbildungen nach Verlust von Organen
- Nachbildung
von Organen an falschen Stellen
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Um 1890 Alfred Russel
Wallace
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Der
Darwinismus:
Wallace
vertritt die gleichen Auffassungen wie Darwin nur in
Bezug auf die Lehre von Abstammung, Anpassung und Selektion, nennt
diese reduzierte Theorie aber als erster Darwinismus. Die
Vererbung erworbener Eigenschaften und die Pangenetische
Vererbungstheorie lehnt er ab, ohne zu bemerken, dass die
Selektion damit für die Abstammungslehre wirkungslos wird.
Die von Darwin bereits erkannten, nicht erklärbaren Phänomene
und die Theorie von Baer ignoriert er ganz. Hiermit wurde der
zwischen Lamarck und Darwin gar nicht vorhandene Gegensatz
zwischen Lamarckismus und Darwinismus erst konstruiert.
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Um 1900 Ernst Haeckel,
Ludwig Plate
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"Alt-Darwinismus" Haeckel
macht die Reduktion der Darwin/Lamarckschen Lehre auf Wallaces
Darwinismus nicht mit, greift die Lehre von Baer auf und
entwickelt sie weiter. Die Embryologie liefert ihm neue Beweise
für die Abstammungslehre und er formuliert das biogenetische
Grundgesetz: Die Ontogenie ist die kurze und schnelle
Rekapitulation der Phylogenie. Seine "Natürliche
Schöpfungs-geschichte" begründet eine
Naturreligion und stößt auf heftigen Widerstand
kirchlicher Kreise, obwohl er noch einen Schöpfer anerkennt
und der Mensch noch nicht als Zufallsprodukt blinder Naturgesetze
verstanden wird. Die ideologische Spaltung der Evolutionstheorie
aber ist vorbereitet.
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2. Ideologische Phase
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Stand bis 1910
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Die
Abstammungslehre scheint bewiesen aus folgenden Erkenntnissen:
- Systematik
der Stämme, Gattungen und Arten
-
Ähnlichkeiten und Homologien unterschiedlicher Gattungen und
Arten
-
Paläontologie, Fossilfunde von Entwicklungsreihen und
Zwischengliedern
-
Embryologie, Wiederholung der Phylogenie in der Ontogenie
-Tiergeografie,
Verbreitungsgebiete und -barrieren der Arten
Da es für
die Evolution aber keine einheitlichen Erklärungen gab, wurde
das Welt- und Menschenbild durch die Abstammungslehre kaum
beeinflusst. Die Welt machte einen geordneten Eindruck und blieb
nach Ansichten des privaten Lebens weiterhin geteilt in
kreationistische und evolutionäre Anteile.
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Bis
1930
Haeckel,Plate,Naegeli
Weismann, de
Vries, Batson
Roux
Kammerer
Neumayr Pauly,
France, Wagner
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Widersprüchliche
Erklärungen für folgende Fragen: - Wie kommt es zu
den Veränderungen in den Organismen ?
- wie werden
diese erblich ? - wie kommt es zur inneren Abstimmung der
Organentwicklung ?
Unterschiedliche
nichtzusammenhängende Theorien:
-
altdarwinistische Pangenesetheorie
-
Keimbahntheorie von Weismann; keine Beeinflussung der Keimzellen
durch Körperzellen, Wiederentdeckung der Mendelschen Gesetze,
Entdeckung spontaner zufälliger Mutationen à
Neodarwinismus - Selektion durch
Katastrophen oder durch Konkurrenz zwischen Arten oder im
Räuber-Beute-Verhältnis oder durch Bevorzugung der
Schnelleren, Kräftigeren oder Schöneren innerhalb einer
Art - große mutative Änderungen schädigen fast
immer, aber
kleine
mutative Änderungen führen nicht zur Selektion
- geringe
Chance gleichzeitiger Änderung mehrerer Merkmale zur
Aufrechterhaltung lebenswichtiger Funktionen, doch adaptieren
Teile funktioneller Organsysteme offenbar gemeinsam
- zur
Bestätigung der Vererbung erworbener Eigenschaften angelegte
Experimente werden fehlgedeutet, obwohl diese tatsächlich
lediglich zeigen, dass durch veränderte Umweltbedingungen auf
frühere Organentwicklungen zurückgeschaltet werden kann:
fehlgedeuteter Atavismus à Neolamarckismus -
nicht adaptiv begründbare fossile Entwicklungsreihen
-
Zweckmäßigkeit des Bauplans aller Organismen sei auf
eine Intelligenz alles Lebendigen zurückzuführen à
Vitalismus
Es stellen
sich 3 unvereinbare Welt- und Menschenbilder zur Diskussion: -
der Mensch als Zufallsprodukt (Neodarwinismus)
- der Mensch
als Milieuprodukt (Neolamarckismus)
- der Mensch
als Planung der Schöpfung (Vitalismus) in diesen
widerspiegeln sich die politisch-soziologischen Strömungen
des - Liberalismus - Marxismus
- religiösen
Mystizismus
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1950 Kossel,
Watson, Crick
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Die
Molekulargenetik weist nach, dass die Doppelhelix der DNA der
Träger der Erbsubstanz ist und über die Boten-RNA (mRNA)
und die Transfer- oder tRNA-Moleküle aus Aminosäuren
in den Zellen die Proteine zusammengesetzt werden. Dieser
Syntheseapparat ist eindeutig von der Erbsubstanz zu den die
Körpersubstanz aufbauenden Proteinen gerichtet und bestätigt
damit die Weismannsche Keimbahntheorie und widerlegt die
Möglichkeit der Vererbung erworbener Eigenschaften und damit
den Neolamarckismus.
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1960 Jacob,
Monod
Teilhard de Chardin
Ernst Mayr, Simpson,
Dobzhansky
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Entdeckung
der Regulator- und Operatorgene, die in Abhängigkeit von der
chemischen Zusammensetzung der Zelle die Synthesetätigkeit
der Strukturgene in Gang setzen oder stoppen. Damit ergibt sich
die Möglichkeit einer Rückwirkung der Körpersubstanz
auf die Vererbung dieser oder jener Eigenschaft. à
epigenetische Vererbung Diese Entdeckung gab
dem Neodarwinismus weiteren Auftrieb, ermöglichte sie jedoch
die richtige Deutung der Experimente Kammerers ohne auf die
Vererbung erworbener Eigenschaften zurückzugreifen. Monod
begründete darauf aufbauend die philosophische Theorie des
Menschen als reines Zufallsprodukt. Dennoch bot diese Theorie noch
keine Handhabe zur Erklärung der Genese der großen
Stämme des Tier und Pflanzenreiches und ihrer durch die
Paläontologie bewiesenen richtungnehmenden Abläufe, wie
sie der Jesuit und Paläontologe Teilhard in seinem 1959
erschienen Werke "der Mensch im Kosmos" beschrieben und
als von Gott prästabilisierte Harmonie dargestellt hat. Auch
die Neodarwinisten Ernst Mayr (Systematiker), Simpson
(Paläontologe) und Dobzhansky (Genetiker), bemühten sich
vergeblich, in einer "Synthetischen Evolutions-Theorie"
die offenen und widersprüchlichen Fragen der biologischen
Teildisziplinen einer gemeinsamen Lösung zuzuführen. Es
wurden neue Konzepte der Populationsdynamik entwickelt und der
Artbildungsprozess auf geografische, ökologische oder
ethologische Trennungen zurückgeführt, man beschränkte
sich aber auf die Mikroevolution und fand für die
Makroevolution der Gattungen, Ordnungen, Klassen und Stämmen
keine Lösungen und ignorierte die Erkenntnisse der
Morphologie. So führten die großen
Erkenntnisfortschritte der letzten 50 Jahre zu keiner wesentlichen
Veränderung des Welt- und Menschenbildes.
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Bis 1970
Morowitz
Thompson,
Driesch, Beralanffy
Marinelli
Adolf
Remane, Teilhard
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Für die
verlässlichsten Belege der Evolutionstheorie fehlten
weiterhin die Erklärungen. Folgende Fragen waren noch
offen:
- rein
statistisch reicht die Anzahl der Gene der Organismen nicht aus,
um deren sämtliche Eigenschaften und Merkmale zu codieren.
Die zufällige Mutationsrate der Einzelgene reicht nicht aus,
um die Entwicklungs-geschwindigkeit der Organismen zu begründen.
Die komplexe Hierarchie der Organismen müsste sich in einer
ebenso komplexen Hierarchie der Gene widerspiegeln.
- eine
Vielzahl genetisch ausgelöster Organveränderungen ist
experimentell beobachtet, die einen Prozess der inneren Abstimmung
voraussetzen, dessen Mechanismus noch völlig unbekannt war.
- das
Vorhandensein von Atavismen, diesen Überbleibseln früherer
Ausstattungen, deren Wiederauslösbarkeit und deren
Wiederholung in der ontogenetischen Entwicklung konnte noch immer
nicht erklärt werden.
- komplexe,
funktionell geschlossene Baueinheiten wiedersetzen sich der
Adaptierung, sind so alt wie die Tierstämme und der
Schichtenbau der Baupläne. Der Zusammenhang ist deutlich, die
Ursache aber noch offen. - Entstehung und Entwicklung der
Stammbäume ist paläontologisch und morphologisch belegt,
wird durch den Neodarwinismus aber nicht erklärt. - Für
die Morphologie gab es keine wissenschaftlich begründete
Methodik, sie wurde rein auf der Grundlage von Intuition
betrieben. Die nicht klare Trennung zwischen "Erkennen"
und "Erklären" hatte zur Folge, dass die
biologische Systematik nicht als natürlich vorhandenes
System, sondern als menschengemachtes Ordnungssystem der Biologie
betrachtet wurde.
Die Erwartung
einer empirisch erfassbaren, sich selbst ordnenden Natur steht
immer noch zwischen zwei Fronten: - dem Kreationalismus der
christlichen Lehre und des deutschen Idealismus
- und dem
linearen Denk- und Ursachenkonzept des naturwissenschaftlichen
Rationalismus
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ab 1970
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3.
Systemische Phase
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Systemtheorie
des Erkennens Konrad
Lorenz Erhard Oeser Manfred Wuketits
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Evolutionäre
Erkenntnistheorie: Gestaltwahrnehmung entwickelt sich bereits bei
Tieren und deren Weltbildapparat ist der Vorläufer des
ratiomorphen Apparates des Menschen. Deshalb ist unsere
ratiomorphe Interpretation der Welt kein reiner Unsinn, sondern
Voraussetzung des Lebenserfolges. Bereits im Unbewussten wird die
reale Welt für viele Zwecke ausreichend richtig
interpretiert.
Das
biologische Ordnungssystem hat unscharfe Ränder und Grenzen,
weil in der realen Natur diese Übergänge vorhanden sind.
Deshalb können auch Begriffe und Kategorien nicht beliebig
scharf definiert werden.
Empirische
Einsicht folgt der Komplexität der Naturordnung. In der Natur
entstehen komplexe Systeme nicht durch Zusammenfügung
fertiger Bausteine, sondern durch Abgrenzung aus dem komplexen
Zusammenhang ihrer Umgebung und Differenzierung ihrer
Bestandteile in Untersystemen. In homologer Weise entstehen
empirische Ordnungssysteme durch das Prinzip der wechselseitigen
Erhellung.
Wiederholt
empirisch festgestellte Zusammenhänge werden von uns bereits
unterbewusst als Ursache - Wirkungszusammenhang interpretiert. Das
kann aber eine unzulässige Extrapolation sein. Nur durch
rationales Denken kann die eventuelle Unzulässigkeit einer
solchen Extrapolation aufgeklärt werden. Daraus entsteht in
der Evolution der Überlebensvorteil rationaler Denker.
Theoretische Systeme müssen aber nicht unbedingt exakt
beweisbar sein, es genügt für menschliche Zwecke eine
hohe Wahrscheinlichkeit ihrer Wahrheit.
In diesem
Sinne ist die biologische Systematik der Organismen ein mit hoher
Wahrscheinlichkeit natürliches System.
Naturwissenschaften
beruhen auf Erklärungen durch wirkende Kräfte und
Ursachen, Geisteswissenschaften auf Erklärungen durch Sinn
und Zweck. Deshalb die Welt in Materie und Geist zu zerlegen ist
unangebracht und bedarf der wechselseitigen Erhellung.
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Systemtheorie
des Erklärens Bertalanffy,
Weiss, Köstler, Riedl, Waddington
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Die in der synthetischen Theorie
des Neodarwinismus nicht erklärbaren Phänomene betreffen
im wesentlichen die Evolution, Anpassung und Selektion komplexer
Organsysteme. Sie können durch folgende Annahmen Riedls
erklärt werden:
- komplexe
hierarchisch aufgebaute Körperstrukturen werden durch analog
aufgebaute komplexe Genstrukturen kodiert. Schalt- und
Operatorgene organisieren die Ontogenese nach codierten Bauplänen.
- zufällige
Mutationen der Schalt- und Operatorgene führen zu aufeinander
abgestimmten Variationen komplexer Organstrukturen.
- die
Selektion setzt an der Funktionsfähigkeit und Angepasstheit
komplexer Organstrukturen an.
- alle
Erscheinungsformen von Atavismus wie auch die
Embryonal-entwicklung beruhen auf der Erhaltung alter
Entwicklungsmuster und ihrer Ein- und Ausschaltung durch
genetische oder epigenetische Ursachen - die hierarchische
Kopplung der funktionsverbundene Phäne kodierenden Gene
erhöht die Chance und die Geschwindigkeit der Adaptierung und
wird deshalb positiv selektiert. Dies bedeutet eine Genselektion
infolge innerer Bedingungen und ermöglicht indirekt eine
Rückkopplung erworbener Eigenschaften auf die
Genomarchitektur.
- die
Genkopplung zeigt jedoch auch eine entgegengesetzte Wirkung:
verlangt die Milieu-Anpassung die Beibehaltung eines Teiles und
die Veränderung eines anderen Teiles der gekoppelten
Funktionalität, so wird diese Variation extrem erschwert. Die
Adaption an veränderte Bedingungen wird verhindert. Dies
erklärt sowohl die Beibehaltung einmal eingeschlagener Wege
der Stammesentwicklung als auch die Konservativität mehrfach
vorhandener Bauteile mit Mehrfachfunktionalität, während
neue Entwicklungen schneller mutieren.
Mit diesen
Erklärungen ergibt sich ein im wesentlichen geschlossenes
Bild der biologischen Evolutionstheorie.
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Die
neue Spaltung
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Das neue
Welt- und Menschenbild wird immer weniger von den speziellen
Problemen der biologischen Evolutionstheorien und immer mehr von
interdisziplinären, fachübergreifenden, bis in die
Gesellschaftsentwicklung wirkenden Grundanschauungen und
Einsichten geprägt. Dabei stehen sich zwei Grundtendenzen
gegenüber:
- Komplexe
Systeme werden durch Reduktion auf ihre Grundbausteine in ihrer
Funktionalität immer mehr verstanden und von da aus
verändert. Die Vorstellung von der Machbarkeit dieses
Konzeptes ist in Industrie, Wissenschaft und Gesellschaft weit
verbreitet und kommt klar in der weiten Verbreitung
liberalistischer Bestrebungen zum Ausdruck. Das Auftauchen
emergenter Eigenschaften in komplexen Systemen wird zwar
konstatiert und akzeptiert, aber das Wesen dieser Emergenz ist
noch immer unverstanden. Trotzdem wird an den Bausteinen immer
weiter herumgebastelt, um das System zu verändern und zu
verbessern, ohne jedoch zu wissen oder voraussagen zu können,
in welcher Weise das System als Ganzes reagieren wird. Dieser
Zustand wird weitgehend hingenommen.
- Auf der
anderen Seite regt sich diffuser Widerstand gegen diese lineare
Dynamik. Komplexe Systeme reagieren mit einer rückgekoppelten
Kausalität und lassen sich nicht von ihren
Elementarbausteinen aus regulieren. Die Emergenz verleiht dem
System eine gewisse Selbständigkeit. Diese Emergenz kommt z.
B. auch in Gesellschaftssystemen zum Ausdruck, in denen sich
Bürgerbewegungen gegen diese reduktionistischen
Machbarkeitsansprüche organisieren und zur Wehr setzen. So
repräsentieren die Umweltbewegungen ein holistisches Prinzip,
das den Tendenzen ungebremsten Wachstums entgegensteht, in
gewisser Weise die Interessen des Gesamtsystems vertritt und die
Frage nach dem Sinn und Zweck des Ganzen in den Vordergrund
bringt.
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Der
Zeitgeist
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Die
Evolutionstheorie und ihr Wandel sind Teil unserer Kultur- und
Geistesgschichte. Dabei sind metaphysische Konzepte, Juden- und
Christentum, Islam, Buddhismus, Empirismus und Rationalismus,
Materialismus und Idealismus von längster Dauer. Sie
rühren aus der Notwendigkeit, Leben und Schicksak irgendwie
zu deuten und dem Erkenntnisvermögen eine Grundlage zu geben.
Die
Weltbilder der Wissenschaften wandeln rascher. Sie folgen einem
additiven Prinzip, bauen aufeinander auf und das alte wird
Bestandteil des neuen.
Die
Weltbilder der Künste von den Stilen bis zu den Moden sind
nicht additiv, sondern auslöschbar und repräsentieren
den jeweiligen Zeitgeist.
Die
Entwicklung der Evolutionstheorie widerspiegelt in allen ihren
Phasen den jeweiligen Zeitgeist, auch wenn ihre Schrittmacher
diesem häufig voraus waren.
Zwischen der
Entwicklung des Zeitgeistes und der Theorie der Evolution gibt es
einen sich selbst schöpfenden Systemzusammenhang. Trotz aller
Zufälle und Schwankungen zeigt sich eine deutliche
Richtungshaftigkeit, ein übergeordnetes Entwicklungsprinzip,
demzufolge sich entgegen dem Wachstum der Entropie fortgesetzt
komplexe geordnete Strukturen bilden.
Durchgesetzt
wird es, indem geordnete Systeme neue Erhaltungbedingungen
gewinnen, deren Erhaltungszeit mit zunehmender Komplexität
immer kürzer wird.
Im Wandel von
Zeitgeist, Evolutionstheorie und Menschenbild ist weder ein
sinnloses kosmisches Getriebe noch eine prästabilisierte
Harmonie zu erkennen, jedoch zeigt sich, dass der Mensch seine
Herkunft, seine Geschichte, die Bescheidenheit seiner Austattung,
seine Überheblichkeit, seine Verflechtung im Komplexen und
seine Verantwortlichkeit für die Welt immer besser verstanden
hat und seine widersprüchlichen Vorstellungen auf eine
poststabilisierte Harmonie zulaufen.
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