Zeit und Evolution

(nach (Fahr) ,siehe hierzu auch Mainzer)

1. Zeitablauf, Informationsgehalt und Evolutionskraft eines Systems

1.1. In einem Gleichgewichtssystem gibt es keinen Zeitablauf. Alle Prozesse im Gleichgewichtssystem sind umkehrbar. Alle rein periodischen Prozesse können so dargestellt werden, daß die Zeit vollständig eliminiert ist.

1.2. Zeitablauf ist immer mit einer gerichteten Veränderung des Systems verbunden. Der thermodynamische Zeitpfeil ist mit der Produktion von Entropie verbunden, der historische Zeitpfeil mit der Produktion von Struktur und Information. Die Menschheitsgeschichte ist verbunden mit der Ansammlung von Wissen über die Natur und über die Vergangenheit. Der psychologisch subjektive Zeitpfeil ist eine Folge des Gedächtnisses, durch das eine unterschiedliche Bewertung von Vergangenheit und Zukunft erzeugt wird. Das Individuum sammelt im Gedächtnis Information, die das wesentliche seiner zeitlichen Existenz darstellen.

1.3. Alle Naturgesetze und ablaufenden Prozesse sind invariant gegenüber Zeitverschiebungen. Es gibt keine natürliche absolute Zeit. Eine zeitliche Synchronisation zwischen voneinander kausal unabhängigen Prozessen gibt es nicht. Alle diesbezüglichen Festlegungen sind reine Konventionen.

1.4. Nur in einer vollständig deterministischen Welt wäre die Zeit einheitlich in allen Systemen und an allen Orten aufeinander beziehbar, hätte dann aber nur die Bedeutung eines Parameters, der alle Prozesse synchronisiert. In einer Welt, in welcher der Zufall eine Rolle spielt, ist die Zeit mit der Evolution der Systeme eng korreliert.

1.5. Quantenmechanisch gibt es keine räumlich lokalisierbaren Teilchen, die als Objekte mit bestimmten Eigenschaften in der Zeit existieren. Nur durch Wechselwirkungsereignisse der Gegenwart werden bestimmte Eigenschaften in der Vergangenheit als Fakten feststellbar.

1.6. Während alle physikalischen Prozesse in einer räumlich- und ladungsmäßig gespiegelten Welt nach den gleichen Gesetzen ablaufen würden, ist eine Spiegelung der Zeit nicht möglich. Eine zeitlich gespiegelte Welt würde alle Ursache-Wirkungs-Beziehungen umkehren und damit eine unserem logischen Verständnis irrationale Verursachung der Gegenwart durch zukünftige Ereignisse bedeuten.

2. Zeit und Wirkungsübertragung

Systeme, die sich nicht im Gleichgewicht befinden, gehen in der Nähe des Gleichgewichtszustandes in ein Fließgleichgewicht über, in dem sie eine minimale Wirkung auf ihre Umgebung ausüben. (Hamiltonsches Prinzip, Fermatsches Prinzip, minimale Entropieproduktion).

Bei Verschärfung der Nichtgleichgewichtsbedingungen erhöht sich die Entropieproduktion und die Systeme erhöhen ihre Wirkungsrate. Gleichzeitig tritt eine Informationserhöhung und Strukturierung in solchen Systemen ein, die dabei Entropie nach außen abführen und ein neues relatives Minimum der Entropieproduktion pro Zeiteinheit anstreben. Die Erhöhung der Wirkungsrate ist also mit einer Erhöhung der Strukturiertheit und einer Erhöhung des Informationsgehaltes verbunden. Gleichzeitig entfernt sich das System weiter vom Gleichgewichtszustand. Fahr folgert hieraus einen Zusammenhang des Informationsgehaltes, der Wirkungsrate und des Ablaufs der inneren Systemzeit dergestalt, daß die Zunahme der Information bedingt ist durch die vorhandene Strukturiertheit, also die vorhandene Information in dem System und die innere Systemzeiteinheit so zu definieren ist, daß sich in allen Systemen vergleichsweise eine gleiche Informationszunahme pro Eigenzeit ergibt. Gleichgewichtssysteme verändern ihre Struktur nicht, erzeugen keine Wirkung und haben deshalb eine gegen Unendlich gehende Eigenzeiteinheit, von außen gesehen haben sie also keinen Zeitablauf. Hochentwickelte Systeme haben eine hohe Wirkungsrate und deshalb eine kurze Eigenzeiteinheit und sie verbrauchen wenig Außenzeit für ihre Entwicklung. Betrachtet man die Wirkungsrate pro Eigenzeitintervall als konstant, so erscheint einem der Ablauf der Eigenzeit bei hohem Angebot von Ereignissen pro Außenzeitintervall schneller als bei niedrigem Angebot, bei dem die Eigenzeit "nicht vergeht".

Zeitliche Vorgänge in verschiedenen Systemen können nur dann aneinander angeschlossen werden, wenn die Systeme miteinander in Wechselwirkung stehen. Dabei sind die aus periodischen Abläufen in unterschiedlichen Systemen gewonnenen Zeittaktungen nicht aufeinander beziehbar, das Verhältnis ihrer Zeittakte wird durch die Wirkungsübertragung bestimmt. Der Psychologische Eindruck eines schnelleren Zeitablaufs hat z.B. nichts zu tun mit dem zeitlichen Ablauf physiologischer Vorgänge.

3. Eigenzeit und kosmische Zeit

Die aus der allgemeinen Relativitätstheorie ableitbaren Beziehungen der Zeitkoordinaten in verschiedenen Bezugssystemen mit der Eigenzeit im bewegten System stellen eine Synchronisation der verschiedenen Zeiten auf eine einheitliche Weltzeitkoordinate dar. Dabei ergibt sich bekanntermaßen eine unterschiedliche Lebenszeit, gemessen in Zeiteinheiten, die auf periodische Vorgänge bezogen sind, für Systeme, die sich auf unterschiedlichen Weltlinien bewegt haben und später wieder einen gleichen Raumzeitpunkt erreichen. Die oben eingeführte systemeigene Zeit entspricht aber der Lebenszeit in den Systemen mit unterschiedlicher Geschichte, die wirkungsbezogen gleich ist, aber nicht auf die kosmische Weltzeit bezogen werden kann. Der ältere Zwilling hat also in seinem System schneller gelebt, ohne es aber zu bemerken, weil seine periodischen Zeittakte kürzer waren.

4. Quantelung von Raum und Zeit

Die Existenz des Planckschen Wirkungsquantums hat zur Folge, das sich Ereignisse nur dann als neuer Zustand manifestieren können, wenn sie sich energetisch, zeitlich und räumlich um endliche Beträge unterscheiden. Das wirft die Frage nach einem kleinsten Raumzeitintervall auf. Die damit entstehenden Probleme sind derzeit ungeklärt. Eine Vereinigung von Relativitätstheorie und Quantentheorie ist bisher nicht gelungen. (Siehe jedoch die Superstringtheorie und die Theorie der Schleifen-Quantengravitation).

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