Die Entwicklung des Menschen (Sagan)

  1. Nach den objektiven Kriterien, die dem Klassifikationsschema der Biologie zugrundeliegen, gehört der Mensch zur Familie der Affen und zur Gattung der Schimpansen. Seine Einordnung in eine gesonderte Familie der Hominiden verdankt er nur einem Zugeständnis Linne's an die Gesellschaft seiner Zeit.
  2. Die Abspaltung der Hominiden von den Schimpansen erfolgte vor ca. 5 Mio. Jahren infolge der durch geotektonische Prozesse in Süd-Ost-Afrika ausgelösten Klimaveränderungen und Eiszeiten. Dadurch wurden die späteren Hominiden geographisch isoliert und ihre Lebensbedingungen stellten höhere Anforderungen an ihre Anpassungsfähigkeiten (siehe Klix).
  3. Der Schimpanse ist der nächste Verwandte des Menschen und der Mensch ist der nächste Verwandte des Schimpansen. Die Nukleotidsequenzen der DNS von Menschen und Schimpansen unterscheiden sich lediglich um 1,7%, von Mensch und Gorilla um 1,8%, aber der Unterschied zwischen Gorilla und Schimpanse ist größer als 1,7%. Der Unterschied zwischen Mensch und Orang Utan liegt bei 3,3%, der zwischen Mensch und Gibbon bei 4,3% Demgegenüber unterscheiden sich die DNS-Sequenzen der Menschen untereinander um maximal 0.1%.
  4. Verhaltensstudien an Affengesellschaften zeigen, daß sich zahlreiche Verhaltensweisen der Menschen untereinander, insbesondere auf der unbewußten Ebene, dem Verhalten der Affen äußerst ähneln. Darüber hinaus sind insbes. Schimpansen in der Lage, Intelligenzleistungen zu erbringen, die sich von denen der Menschen oft nur graduell unterscheiden. Das legt den Schluß nahe, das die grundlegenden, in den Genen festgelegten Fähigkeiten und Verhaltensweisen ein Ergebnis der Evolution der gemeinsamen Vorfahren sind und sich seit der Abspaltung der menschlichen Stammeslinie nicht mehr wesentlich verändert haben.
  5. In der Phase der Herausbildung des Menschen hat sich vor allem Größe und Leistungsfähigkeit des Gehirns stark entwickelt. Damit ergab sich die Möglichkeit, sich den Veränderungen der Umwelt wesentlich schneller anzupassen, als dies durch die zufällige Mutation der Gene, die das Verhalten steuern, möglich war. Die durch diese Entwicklung erzielten Selektionsvorteile erwiesen sich für die weitere Entwicklung des Menschen als entscheidend und sicherten ihm die Vorherrschaft.
  6. Die Entwicklung des Gehirns und seiner Leistungsfähigkeit verdankt der Mensch seiner von Anfang an sozialen Lebensweise in kleinen Gruppen, die ihm neue Lebensmöglichkeiten und Nahrungsquellen durch Jagd erschloß, aber auch eine ausgeprägte Kommunikation zwischen den Individuen erforderte. Die Entwicklung der Sprache und der Gebrauch von Werkzeugen waren entscheident für die Ausbildung seiner geistigen Fähigkeiten.(Klix)
  7. In der darauffolgenden, vergleichsweise kurzen Phase der kulturellen Entwicklung des Menschen ist keine weitere Entwicklung seiner biologischen Struktur, seines Gehirns und seiner Erbanlagen nachzuweisen, insbesondere gibt es keine wesentlichen Differenzen in den Genen der unterschiedlichen Völker und Menschenrassen. Deren unterschiedliche Kultur und Mentalität ist also ausschließlich auf die von Generation zu Generation weitergegebene Lebenserfahrung und die Erziehung der jungen Generation zurückzuführen.
  8. Die weitere Entwicklung des Menschen erfolgt nicht durch Zuchtwahl und Aussonderung ungeeigneter Gene, sondern durch individuelle Lernprozesse zur Ausbildung spezieller Fähigkeiten in einem von Geburt aus vorliegenden leistungsfähigen Gehirn.
  9. Wenn auch das Verhalten der Menschen aufgrund ihrer biologischen Evolution weitgehend genetisch bedingt ist, so zeigt doch ihre kulturelle Entwicklung, daß durch Intelligenzleistungen dieses Verhalten korrigiert und überdeckt werden kann, wenn es für die Anpassung an die Umwelt und für die Überlebenssicherung nicht mehr angemessen ist. Die Grundrichtung der Evolution hat sich damit von der durch Genmutation getragenen Genselektion zu einer durch Intelligenzleistungen getragenen Adaptation verändert, die damit gleichzeitig zu einer Verlagerung von der Entwicklung des Individuums zu einer gesellschaftlichen Entwicklung führt, da die Informationen und Lernprozesse weit weniger an das einzelne Individuum gebunden sind.
  10. Auch in dem Buch von Sagan wird die Evolution des Menschen jedoch nur als Individuum in einer Gesellschaft, aber nicht die Evolution der Gesellschaft als solche betrachtet. Vielleicht kann man aber die Ankündigung eines zweiten Bandes als einen Hinweis darauf ansehen, daß diese Problematik noch ansteht. Klix und Lanius sowie Jantsch gehen über diese Position jedoch deutlich hinaus
    (Siehe hierzu auch Litsche )

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